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Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Titel: Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
Autoren: Frank Schumann , Heinz Wuschech
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werdende Führungsmacht des Warschauer Paktes verlor nicht nur an Einfluss in der Welt, sondern auch im eigenen Bündnis. Was, so stellte man sich zunehmend im Westen die Frage, geschieht an den Rändern, was mit der DDR, wenn die Kräfte der Sowjetunion nicht mehr reichen, ihr Einflussgebiet wie gewohnt zusammenzuhalten? Die DDR band allein durch ihre Existenz nicht wenig Energie der Bundesrepublik. Würde sie verschwinden, hätte die BRD Kapazitäten frei. Denn das Prinzip imperialistischer Konkurrenz hatte sich doch durch politische, wirtschaftliche und militärische Bündnisse nicht erledigt, zu denen man sich zusammengeschlossen hatte.
    Aus diesen Überlegungen erwuchs das Bedürfnis, die DDR zu stützen und zu stärken. 1966 hatte der französische Schriftsteller Francois Mauriac in einem
Spiegel
-Gespräch erklärt: »Ich liebe Deutschland, ich liebe es so sehr, dass ich sehr zufrieden bin, dass es zwei davon gibt.« Dieser schlüssige Satz wurde in der Folgezeit nicht nur von französischen Politikern zitiert, das taten auch andere in Westeuropa.
    Und schließlich handelten sie auch, um den Status quo zu erhalten. Bekanntlich kam Frankreichs Präsident Mitterrand Ende 1989, als die Grenze zur Bundesrepublik bereits geöffnet war, in die DDR und schloss einen Vertrag über wirtschaftliche Zusammenarbeit über fünf Jahre. Das Verschwinden der DDR in der Bundesrepublik sei für ihn ein Albtraum, sagte er, als bereits alle Messen gelesen waren. Und auch Margaret Thatcher, Großbritanniens Premierministerin und so wenig Freund der DDR und des Realsozialismus wie ihr französischer Kollege, sträubte sich gegen diese Vorstellung. Sie pflichtete Francois Mitterrand bei, als dieser im Januar 1990 bei einem Besuch in Downing Street Nr. 10 äußerte, das neue Deutschland werde sich in Europa »mehr Boden als Hitler sichern«.
    Viele Jahre nach dem Untergang erschienen etliche Publikationen, die die internen Diskussionen in den beteiligten Regierungen dokumentierten. Auch das Archiv der Moskauer Gorbatschow-Stiftung legte Protokolle von Politbürositzungen, Gesprächsabschriften und Tagebuchaufzeichnungen aus der Amtszeit von Michail Sergejewitsch vor. Die Dokumente zur deutschen Frage hatte Gorbatschow persönlich ausgewählt. Sie waren, wie der russische Historiker Pawel Stroilow feststellte, nachträglich bearbeitet und gekürzt worden. Mal fehlten nur ein paar belanglose Wörter, mal Seiten oder ganze Gespräche. Bevor die russischen Archive wieder geschlossen wurden, kopierte Stroilow soviel wie möglich an Originalakten. Drei Jahre lang arbeitete er im Gorbatschow-Archiv, ehe er nach Großbritannien ausreiste. Auf die Frage nach dem Grund der nachträglichen Dokumenten-Bearbeitung sagte er: Die handelnden Personen, allen voran Gorbatschow selbst, sollten im Licht der Geschichte mehr glänzen als im wahren Leben. Gegenüber dem
stern
erklärte Stroilow im November 2009: »Gorbatschow war wohl ein viel orthodoxerer Kommunist, als man im Westen dachte. Zumindest gab er sich so. Viele im Westen waren ›Klassenfeinde‹ für ihn, so nannte er übrigens auch Franz Josef Strauß. Für die Nachwelt will Gorbatschow wohl als weitsichtiger Demokrat und Reformer dastehen.« Noch 1988 nannte er Honecker auch intern einen »herausragenden Führer der sozialistischen Gemeinschaft« – später bezeichnete er ihn als »absoluten Schwachkopf«.
    Gorbatschow sagte über seinen späteren Freund Helmut Kohl, er sei »nicht gerade ein großer Intellektueller«. Und als der Kanzler am 28. November 1989 im Bundestag gar seinen Zehn-Punkte-Plan zur deutschen Einheit vortrug, fühlte sich Gorbatschow übergangen und verraten und bestellte am 5. Dezember BRD-Außenminister Genscher zu sich. »Kohl behandelt die Bürger in der DDR wie seine Untertanen«, zitierte Stroilow aus den Protokollen. »Das ist erzreaktionärer Revanchismus!«
    Er habe Genscher die Leviten gelesen, berichtete Gorbatschow einen Tag später Francois Mitterrand mit gewisser Genugtuung: »Kohls Thesen sind ein Diktat.« Darauf Mitterrand: »So direkt haben Sie das gesagt? Diktat – das ist ja ein deutsches Wort.«
    Gorbatschow: »Ich wurde noch viel deutlicher. Ich habe Genscher gesagt: So zerstört man alles, was bislang erreicht wurde. Ob er wisse, wie so ein Verhalten genannt wird? Provinzielle Politik.« So benehme sich »ein Elefant im Porzellanladen«. Und sein Außenminister Eduard Schewardnadse, so Gorbatschow weiter, habe über Kohl gesagt: »Noch nicht
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