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Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Titel: Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
Autoren: Frank Schumann , Heinz Wuschech
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Flüchtlinge flogen mit Aeroflot, die One-way-Tickets der sowjetischen Airline wurden mit Devisen bezahlt.
    Was also tun? Es gab eine typische Schalck-Lösung:
    Die Interflug als Betreiber des Zentralflughafens Schönefeld wurde veranlasst, allen Airlines mitzuteilen, dass künftig SXF nur noch Transitreisende abfertigen werde, die über gültige Einreisevisa der Bundesrepublik Deutschland oder ein anderes Land verfügten.
    Am 24. April 1985 verbreiteten die Agenturen diese Meldung. Noch am gleichen Tag kamen aus Bonn zwei Nachrichten: Schäuble wertete diese Geste der DDR als einen wichtigen Beitrag zur weiteren Entwicklung der deutsch-deutschen Beziehungen, das Loch in der Mauer habe diese bisher »behindert«. Nun aber sei es verschlossen.
    Man habe sich zudem auf eine Erhöhung des Swings auf 900 Millionen D-Mark für die nächsten fünf Jahre verständigt. »Der Durchreisestopp sei im ›Kontext‹ mit den Bonner Handelserleichterungen zu sehen, keinesfalls jedoch als ›Gegenleistung‹«, zitierte ihn am 8. Juli 1985 der
Spiegel
.
    Nein, da hatte er mal ausnahmsweise recht. Die DDR hatte das nicht nötig. Und auf Bitte der neuen Regierung in Saarbrücken – im März 1985 war Oskar Lafontaine zum ersten SPD-Ministerpräsidenten dieses Bundeslandes gewählt worden – kaufte die DDR für mehr als 100 Millionen D-Mark Kohle und Stahl.
    Wolfgang Schäuble und Alexander Schalck-Golodkowski bereiteten Honeckers Staatsvisite im September 1987 intensiv vor. Im Wesentlichen ging es dabei um zwei Aspekte. Wie bei Staatsbesuchen Honeckers stets üblich, wurden im Vorfeld alle kritischen und streitbaren Punkte geklärt und also ausgeräumt, womit vermieden wurde, dass bei den offiziellen Begegnungen Unangenehmes zur Sprache kam. Grundsätzliches wurde damit nicht aus der Welt geschafft, wohl aber einzelne akute Fälle gelöst.
    Das zweite wesentliche Element betraf das diplomatische Protokoll. Wer begrüßt wen wo und wann? Gibt es einen Empfang mit militärischen Ehren, ein Eskorte in der Luft und auf der Straße, ein Staatsbankett? Tauscht man Reden aus oder gibt es nur einen kurzen Toast? Wer macht wann wem seine Aufwartung, welche Orte werden aufgesucht, wie heißen die Stationen des Reiseprogramms? Wo wehen welche Fahnen, was wird im Fernsehen übertragen, live oder in Zusammenfassungen? Wird ein gemeinsames Kommuniqué verabschiedet, finden Pressekonferenzen statt, wer wird dort auftreten und welche Medienvertreter werden zugelassen usw.
    Erich Honecker hatte nur einen Wunsch: Dass er in allen Fragen gleichberechtigt und in politischer Augenhöhe mit dem Bundeskanzler behandelt werde. Das forderte er nicht um seiner Selbst willen, um seine in Anflügen vorhandene Eitelkeit zu befriedigen, sondern ausschließlich zur Aufwertung der DDR. Die jahrzehntelange Ignoranz und Ausgrenzung, die geringschätzige Behandlung des Staates von 17 Millionen Deutschen, die abfällige Beurteilung ihrer Leistungen, die Herablassung, mit der über die Kleine-Leute-Republik bisweilen hergezogen wurde, die Verweigerung der Anerkennung der Staatsbürgerschaft – all dies sollte durch das Protokoll vergessen gemacht werden. Honecker wünschte unausgesprochen, wie jeder andere Staatsmann in Bonn begrüßt und behandelt zu werden. Mehr nicht.
    Die mehrtägige Reise des ersten Mannes der DDR durch die Bundesrepublik empfand dieser als Höhepunkt seines politischen Lebens. Er sah darin gewissermaßen die Krönung des jahrzehntelangen ausdauernden Kampfes der DDR um Selbstbehauptung und Gleichberechtigung auf der Weltbühne, woran auch Persönlichkeiten wie Alexander Schalck-Golodkowski ihren messbaren Anteil hatten. Natürlich machten westliche Staatsoberhäupter der DDR ihre Aufwartung, und Honecker hatte in den 80er Jahren in Europa Österreich, Frankreich, Spanien, Belgien, Schweden und Finnland bereist. Aber den unmittelbaren Nachbarn und Widerpart im Westen eben nicht. Nunmehr schien diese Lücke geschlossen, Honecker betrachtete seine Visite gewissermaßen als Schlussstein im außenpolitischen Bogen. Nicht wenige jedoch meinten später, in Kenntnis der Geschichte, es habe sich von westlicher Seite wohl eher um propagandistisches Staatstheater gehandelt, um die eigentlichen Intentionen erfolgreich zu verschleiern.
    Die auffällig gewachsene Akzeptanz der DDR in den westeuropäischen Staaten hing sowohl mit deren Stabilität als auch mit der sinkenden Instabilität des Ostblocks zusammen. Die durch die Hochrüstung zunehmend schwächer
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