Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
Irrer. In seiner Zeit war er eine geschätzte Persönlichkeit. Sein Beruf war nicht nur geduldet – er verlieh ihm sogar Prestige!«
    Das Mädchen sagte: »Verstandesmäßig kann ich es akzeptieren. Aber gefühlsmäßig nicht.«
    Ein listiger Ausdruck erschien auf Stenogs Gesicht. »Parsons, ich will Sie noch etwas fragen. Ich erinnere mich an eine damit im Zusammenhang stehende Tatsache. Ihre Wissenschaft war doch auch darauf ausgerichtet, neues Leben vor der Geburt zu unterbinden. Sie hatten Verhütungsmittel. Chemische und mechanische Wirkstoffe, die die Befruchtung von Eiern im Eileiter verhinderten.«
    Parsons wollte antworten. »Wir …«
    »Rassmort!« fauchte das Mädchen bleich vor Wut.
    Parsons blinzelte. Was bedeutete das? Er konnte es nicht in sein semantisches System übertragen.
    »Erinnern Sie sich an das Durchschnittsalter Ihrer Bevölkerung?« fragte Stenog.
    »Nein«, murmelte Parsons. »Etwa vierzig, glaube ich.«
    Darüber brachen sämtliche Leute im Raum in spöttisches Gelächter aus. »Vierzig!« sagte Stenog voller Abscheu. » Unser Durchschnittsalter liegt bei fünfzehn.«
    Das sagte Parsons wenig. Außer, daß es, wie er ja schon gesehen hatte, wenig alte Leute gab. »Sie betrachten das als etwas, auf das man stolz sein kann?« fragte er verwundert.
    Vielstimmige Entrüstung schlug ihm aus dem Kreis der ihn Umstehenden entgegen. »Also gut«, sagte Stenog und gestikulierte. »Ich will, daß Sie alle gehen. Sie machen es mir unmöglich, meine Aufgabe zu erfüllen.«
    Sie gingen zögernd.
    Nachdem der letzte den Raum verlassen hatte, ging Stenog zum Fenster und blieb dort einen Moment lang stehen.
    »Wir hatten keine Ahnung«, sagte er schließlich über die Schulter hinweg zu Parsons. »Als ich Sie hier hereinbrachte, geschah das zu einer Routineuntersuchung.« Er hielt inne. »Warum haben Sie Ihren Körper nicht überall gefärbt? Warum nur stellenweise?«
    Parsons sagte: »Dazu fehlte mir die Zeit.«
    »Sie sind erst seit kurzem hier?« Stenog überblickte das schriftliche Material auf seiner Klemmtafel. »Ich sehe, daß Sie behaupten, nichts davon zu wissen, wie Sie aus Ihrem Zeitabschnitt in unseren gekommen sind. Interessant.«
    Wenn ohnehin alles dort stand, dann hatte es keinen Sinn, daß er etwas sagte. Er blieb stumm. An Stenog vorbei konnte er die Stadt sehen, und er fing an, Interesse daran zu verspüren. Die Türme …
    »Was mich beunruhigt«, sagte Stenog, »ist, daß wir die Zeitreise-Experimente vor ungefähr achtzig Jahren aufgegeben haben. Die Regierung, meine ich. Es wurde ein Grundsatz aufgestellt, laut dem Zeitreise die begrenzte Anwendung ewiger Bewegung und somit ein Widerspruch gegen ihre eigenen Funktionsgesetze ist. Das heißt, wenn man eine Zeitmaschine erfinden wollte, so müßte man nur schwören, daß man sie, einmal in Gang gebracht, zu allererst dazu verwenden würde, in der Zeit zurück und zu jenem Punkt zu gehen, an dem man Interesse an dieser Idee gefunden hatte.« Er lächelte. »Und dann könnte man seinem früheren Ich die fertige Maschine überreichen. Dies ist nie geschehen. Offensichtlich kann es also keine Zeitreise geben. Der Definition nach ist Zeitreise eine Entdeckung, die, wenn sie gemacht werden könnte, bereits gemacht worden wäre. Vielleicht habe ich den Beweis zu stark vereinfacht, aber im Grunde …«
    Parsons unterbrach: »Das setzt voraus, daß die Entdeckung, falls sie schon gemacht worden wäre, auch öffentlich bekannt ist. Anerkannt. Aber niemand hat gesehen, wie ich meine Welt verlassen habe.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Und meinen Sie etwa, den Leuten meiner Zeit sei jetzt klar, was passiert ist? Alles, was sie wissen, ist, daß ich verschwunden bin. Spurlos. Sollen Sie daraus schließen, daß ich in die Zukunft versetzt worden bin?« Er dachte an seine Frau. »Sie wissen es nicht«, sagte er. »Es gab keine Vorwarnung.« Jetzt erzählte er Stenog die Einzelheiten, und der jüngere Mann hörte aufmerksam zu.
    »Ein Kraftfeld«, sagte Stenog gleich darauf. Mit einem plötzlichen Zornesbeben sagte er: »Wir hätten das Herumexperimentieren aufgeben sollen. Wir haben eine ganze Menge Grundlagenforschung hinter uns gebracht, und Hardware konstruiert.« Jetzt überlegte er. »Diese Hardware – Gott weiß, was daraus geworden ist. Die Forschungen wurden nie geheimgehalten. Vermutlich ist die Hardware verkauft worden; viele wertvolle Bestandteile hat man weiterverwendet. Das war irgendwann im letzten Jahr. Wir hatten es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher