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Scepter und Hammer

Scepter und Hammer

Titel: Scepter und Hammer
Autoren: Karl May
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erregtes Gesicht glitt ein Zug der Ueberraschung. Mit zwei raschen Schritten stand sie vor ihm.
    »Du bist Max, der Sohn aus der Hofschmiede?«
    »Ja,« antwortete er verwundert.
    »Ich bin Zarba, die Zingaritta.«
    »Zarba? Ists möglich!« rief er, während die freudigste Ueberraschung sein offenes Gesicht erhellte. »Endlich, endlich wird unser größter Wunsch erfüllt. Du mußt mit zum Vater!«
    »Zarba darf Dir nicht folgen.«
    »Warum nicht?«
    »Sie soll arretirt werden.«
    »Warum?«
    »Weil sie den hohen Herrn in die Zukunft blicken ließ.«
    »Der Herr General wird Dich nicht arretiren lassen. Du gehst mit mir!«
    Diese Worte wurden mit einer Bestimmtheit gesprochen, von welcher sich der Prinz beleidigt fühlte.
    »Oho!« meinte er. »Ich habe die Arretur befohlen und werde mir Gehorsam zu verschaffen wissen!«
    Den schweren, eisernen Hammer wie federleicht in der Hand schwingend, blickte ihm Brandauer lächelnd in das Angesicht.
    »Durchlaucht, ich bitte unterthänigst, diese Frau freizugeben.«
    »Ich habe keine Veranlassung, meinen Befehl zurückzunehmen.«
    »Und ich erbat aus Höflichkeit, was ich nicht zu erbitten brauchte. Es hat hier Niemand Veranlassung, Ihren Befehlen Gehorsam zu leisten. Wir gehören weder zur Polizei noch zu Ihrer Dienerschaft, und Zarba steht unter meinem ganz besonderen Schutze. Wollen Sie mich zwingen, sie Ihnen zu entziehen, ohne die Reparatur vollendet zu haben?«
    »Wir werden uns eines anderen Wagens bedienen!«
    Da trat die Prinzessin zu dem Doktor.
    »Herr Doktor, vollenden Sie das Begonnene. Asta von Süderland bittet Sie darum!«
    Ein Blitz seines Auges leuchtete an ihr empor.
    »Königliche Hoheit, dieser Wunsch ist mir allerdings Befehl. Ich lasse mich von keinem Herrscher kommandiren; aus solchem Munde aber genügt ein Wort, mich zum willfährigsten Ihrer Diener zu machen. Zarba, geh in die Stube, und warte, bis ich fertig bin!«
    Sie schüttelte langsam das Haupt und sah ihn mit einem Blicke an, welcher eigenthümlich zwischen Liebe und Demuth glänzte.
    »Das Volk der Brinjaaren und Lampadaaren hat Indien verlassen, weil Bhowannie, die Göttin, es ihm gebot. Es irrt im fremden Lande und hat weder Ruhe noch Rast, bis der Wunderbaum gefunden ist, an welchem es sich versammelt, um die Erde zu beherrschen. Zarba ist eine Tochter ihres Stammes; sie darf nicht ruhen, wenn der Geist sie treibt. Sie muß gehen; aber Du wirst sie wiedersehen, noch ehe die Sonne dreimal untergegangen ist. Gieb mir Deine Hand!«
    Sie nahm seine Linke, warf aber kaum einen kurzen Blick in dieselbe. Ihr Auge suchte das Weite und haftete dort mit einem Ausdrucke, als thäten sich ihm die Pforten der Zukunft auf, um ihn die Gestalten späterer Zeiten schauen zu lassen. Dann sah sie ihm fest in das erwartungsvoll lächelnde Angesicht.
    »Der Geist ist allwissend, aber das Auge des Menschen ist schwach; doch wenn der Geist es stärkt, dann werden vor ihm Dinge offenbar, die es sonst nicht zu erblicken vermag. Du wirst nicht glauben, was Dir Zarba sagt, und dennoch wird es sich erfüllen. Deine Hand ist stark, den Hammer zu schwingen; sie bedarf dieser Stärke, um später das Scepter zu halten. Scepter und Hammer wird die Losung Deines Lebens sein. Du wirst Liebe säen und Feindschaft ernten; aber Deine Faust wird wie ein Hammer auf die Häupter Deiner Feinde fallen und ihnen die Kronen entreißen, die sie Dir zu rauben trachteten. Ich sehe Dich mit hochgeschwungener Keule mitten unter ihnen; ich sehe sie stürzen und sterben oder um Gnade flehen; ich sehe Dich hoch über ihnen, und an Deiner Seite –«
    Sie hielt wie unter dem Eindrucke eines unerwarteten Gesichtes plötzlich inne und ergriff dann mit einer schnellen Bewegung die Hand der Prinzessin, welche in der Nähe stehen geblieben war. Dann fuhr sie in dem vorigen Tone fort:
    »Ich sehe Dich hoch über ihnen, und an Deiner Seite den Engel Deines Lebens, den Du gefunden hast, als Du den Hammer hieltest, und der Dir treu bleibt, auch wenn Du das Scepter trägst. Glaube es Zarba nicht, aber sage ihr später, daß sie Dir die Wahrheit verkündete!«
    Sie gab die beiden Hände frei, wandte sich um, und war mit größerer Schnelligkeit, als man ihr zugetraut hätte, auf dem schmalen Pfade, welcher zwischen der Schmiede und der nächsten Villa in das Freie führte, verschwunden. –
Zweites Kapitel
Belauscht
    Es war am Abende desselben Tages. Max Brandauer saß in dem Zimmer der Hofschmiede, welches ihm die Eltern als Studirstube überwiesen
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