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Scarpetta Factor

Scarpetta Factor

Titel: Scarpetta Factor
Autoren: Patricia Daniels Cornwell
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E-Mails überwachten beziehungsweise eine Forensikexpertin wie Lucy damit beauftragt hatten. Seit drei Wochen schickte Bobby seiner vermissten Frau täglich Nachrichten. Möglicherweise wusste er ja genau, was er tat, und wollte, dass die Strafverfolgungsbehörden die Briefe an seine bien-aimée , seine chouchou , seine amore mia , die Liebe seines Lebens, lasen. Denn wenn er sie ermordet hatte, würde er ihr schließlich keine Liebesbriefe schreiben, richtig?
     
Von: Bobby Fuller
Datum: Donnerstag, 18. Dezember, 15:24
An: Hannah
Betreff: Non posso vivere senza di te
     
Mein Kleines,
ich hoffe, dass Du Dich an einem sicheren Ort befindest, wenn Du das liest. Mein Herz reist auf den Schwingen meiner Seele und wird Dich finden, wo immer Du auch bist. Vergiss das nicht. Ich kann weder essen noch schlafen. B.
     
    Inzwischen wusste Lucy seine IP-Adresse auswendig: die Wohnung von Bobby und Hannah in North Miami Beach, wo er in palastartiger Umgebung litt und sich vor den Medien versteckte. Lucy kannte auch die Wohnung selbst nur allzu gut, denn sie war mit seiner Frau, dieser reizenden Betrügerin, erst vor kurzem dort gewesen. Jedes Mal, wenn Lucy eine E-Mail von Bobby las und versuchte, sich in ihn hineinzuversetzen, überlegte sie, wie er sich wohl fühlte, falls er Hannah für tot hielt.
    Ahnte er wohl, ob sie tot war oder ob sie noch lebte? War er vielleicht genau über ihr Schicksal im Bilde, weil er die Finger im Spiel hatte? Lucy tappte völlig im Dunkeln. Es gelang ihr einfach nicht, in Bobbys Gedankenwelt einzudringen oder auch nur Interesse dafür zu entwickeln. Für sie war lediglich wichtig, dass Hannah die Suppe, die sie sich selbst eingebrockt hatte, irgendwann würde auslöffeln müssen. Sie hatte eine Strafe verdient, denn sie hatte Lucys Zeit und Geld verschwendet und nahm ihr nun außerdem etwas weg, was noch viel kostbarer war. Drei Wochen Hannah bedeuteten Funkstille mit Berger. Auch wenn sie zusammen waren, herrschte Abstand zwischen ihnen. Lucy hatte Angst, kochte gleichzeitig vor Wut und war manchmal versucht, etwas Schreckliches zu tun.
    Sie leitete Bobbys letzte Mail an Berger weiter, die im Nebenzimmer auf und ab ging. Ihre Schritte klapperten auf dem Parkettboden. Die Adresse einer Website, die in einem Quadranten eines MacBooks aufgetaucht war, ließ Lucy aufmerken.
    »Was führen wir denn jetzt im Schilde?«, fragte sie in das leere Wohnzimmer des Hauses hinein, das sie gemietet hatte, um Berger zu ihrem Geburtstag mit einem Kurzurlaub zu überraschen. Es war ein Fünf-Sterne-Ferienhaus mit WLAN-Anschluss, offenen Kaminen, Federbetten und feingewebter Leinenwäsche. Hier fehlte es einem an nichts, außer an dem, weshalb man eigentlich hergekommen war – Nähe, Romantik und Spaß. Lucy gab Hannah die Schuld, außerdem Hap Judd, Bobby und dem Rest der Welt. Sie hatte das Gefühl, dass es alle auf sie abgesehen hatten und Berger sie zurückwies.
    »Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren«, verkündete Berger, die gerade hereinkam. Sie meinte damit die Zustände jenseits der Fenster, wo hinter einem dichten Schleier aus Schneeflocken nur weiße Schemen zu erkennen waren. »Müssen wir denn für immer hierbleiben?«
    »Was soll denn das?«, murmelte Lucy und klickte einen Link an.
    Die Suche nach IP-Adressen hatte eine Website zutage gefördert, die vom Institut für forensische Anthropologie an der University of Tennessee betrieben wurde.
    »Mit wem hast du gerade telefoniert?«, erkundigte sich Berger.
    »Mit meiner Tante. Und jetzt führe ich Selbstgespräche. Mit irgendwem muss ich ja reden.«
    Berger ignorierte den Seitenhieb. Sie hatte nicht vor, sich zu entschuldigen, und war machtlos gegen ihre schlechte Laune. Immerhin war Hannah Starrs Verschwinden ja nicht ihre Schuld, und dasselbe galt für die Tatsache, dass Hap Judd ein Perverser war, der ihnen möglicherweise etwas verschwieg. Und zu allem Überfluss war nun auch noch letzte Nacht eine Joggerin im Central Park vergewaltigt und ermordet worden. Deshalb erwartete Berger von Lucy, dass sie sich verständnisvoller und nicht so egoistisch verhielt. Warum wurde sie nicht endlich erwachsen und legte ihre Unsicherheit und ihre fordernde Haltung ab?
    »Geht es auch ohne das Schlagzeug?« Bergers Migräne hatte sich wieder gemeldet. In letzter Zeit litt sie häufig daran.
    Als Lucy YouTube ausschaltete, wurde es still im Raum. Bis auf das Zischen des Gaskamins war nichts zu hören. »Noch mehr von diesem kranken Zeug«, stellte sie fest.
    Berger
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