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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest
Autoren: Steffi Wolff
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John-Grisham-Romans. Nur das Kleid passt nicht so ganz in den Rahmen. Ein Nadelstreifenanzug von Donatella Versace wäre passender gewesen. Und natürlich eine schwarze Hornbrille, die Haare bitte zu einem strengen Zopf oder Dutt frisiert. Tiefe Stimme, kurze, mit Klarlack lackierte Nägel. Siegelring mit eingeprägtem Wappen. Vom Vater, der auch Strafverteidiger war, geerbt mit den Worten: »Geh deinen Weg, mein Kind. Wenn ich dir helfen kann, lass es mich wissen. Ich werde immer für dich da sein. Und vergiss nicht: Sey mit Lust bei den Geschäften bei Tage, aber mache nur solche, dass wir bey Nacht ruhig schlafen können.«
    Die Weiland, oder besser gesagt Ilse Weiland, wirkt ziemlich angesäuert. Dabei müsste ich sauer sein. Mit ihren graumelierten Haaren und ihrem fetten Hintern steht sie da und deutet mit ihrer Hand auf mich, die eine Menge Altersflecken hat. Damals, als die Bäckerei noch ihren Eltern gehörte, war ich ungefähr fünf und sie Mitte dreißig. Jetzt ist sie ungefähr sechzig. Sie war gehässig zu uns Kindern, und das behaupte ich deswegen, weil sie uns nie was geschenkt hat. Wenn ihr Vater das mitbekäme, hat sie gesagt, gäbe es ein Donnerwetter. Der Vater, so meinte sie, der würde immer sagen, eine Butterkremtorte oder Erdbeertörtchen, die
seien zum Verkaufen da und nicht zum Verschenken. Und von irgendwas müsse er ja auch leben. Das hab ich damals natürlich nicht verstanden, weil Weilands ja die Bäckerei und Konditorei hatten, in denen es Essen im Überfluss gab. Also habe ich irgendwann angefangen, Ilse Weiland zu erpressen. Da war ich so dreizehn, vierzehn. Zu dieser Zeit wurde in mehreren Supermärkten regelmäßig geklaut, und ich hab Ilse gedroht, dass ich zur Polizei gehe und da erzähle, wie ich sie beim Stehlen beobachtet habe. Von da an hat mich Ilse eine Zeitlang mit Quarktaschen und Himbeerkuchen sowie mit Schweinsohren und Mandelhörnchen, auch mit zartbitteren Schokoladentrüffeln versorgt, bis ich das Zeug überhatte. Seitdem hat sie mich gehasst. Ja, sie hat mich gehasst.
    ›Zu Recht?‹, frage ich mich verzweifelt und kenne die Antwort. Aber ich möchte mich nicht noch mehr in die Fänge der anderen begeben.
    Jedenfalls fängt Ilse natürlich an, genau das mit der Erpressung zu erzählen. Selbstredend schmückt die Kuh es aus, was alle natürlich mit »Ah« und »Oh« und »Ist es zu fassen?« kommentieren. Zu Recht. Zu Recht. Sie schwafelt auch noch davon, dass sie sich extra einen Tag freigenommen hat, um hierherzukommen und mir das Handwerk zu legen. Aber so was von gründlich.
    Ich werde immer verzweifelter und saurer, wahrscheinlich auf mich selbst, auch weil Hubertus sich überhaupt nicht mehr für mich zu interessieren scheint. Dann fangen auch noch die I-Gitts an, über mich zu lamentieren, und jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht wieder anfange zu heulen.
    Himmel, bin ich durcheinander. Dabei will ich doch einfach nur gut sein.
    Ich bin verwirrt, komplett neben der Spur.
    Alle hier haben mich total verraten, haben ein verflixtes Spiel mit mir gespielt.
    Das ist doch nicht richtig. So behandelt man doch keine Menschen!
    Ach, tatsächlich nicht?
    Oder war es gar kein Spiel, sondern Gerechtigkeit?
    »Da hast du dir ja wirklich Mühe gegeben«, sage ich beherrscht zu Annkathrin. »Die ganzen Leute aufzugabeln und hierherzukarren. Alle Achtung.«
    »Du warst und bist es mir wert«, erklärt mir Annkathrin. Sie sieht glücklich und zufrieden aus.
    »Vielen Dank.«
    »Dafür nicht.«
    »Dass sogar Sie hergekommen sind und Ihr Bestattungsunternehmen im Stich gelassen haben«, sage ich zu den beiden Harnkes.
    »Die Tatsache meiner Existenz muss ja tief sitzen.«
    »Allerdings«, sagt Ingmar Harnke, und Ines nickt.
    »Möchten Sie vielleicht meine Bestattung ausrichten? Es wird nicht mehr lange dauern, wenn das so weitergeht.«
    »Warum nicht?«, fragt Herr Harnke erfreut. »Dann hätten wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Und hätten vielleicht wieder ein bisschen von dem Geld drin, dass wir wegen dir damals nicht verdienen konnten.«
    »Was kommt denn jetzt noch?«, fragt Zottel, der selbstredend auch hier ist.
    »Es muss ja einen Grund geben, dass die Harnkes hier sind«, antwortet William. »Also noch eine neue Geschichte.«
    Nein. Bitte nicht.
    »Sie hat in schönster Regelmäßigkeit die Luft aus den Reifen unseres Bestattungsfahrzeugs gelassen. Gern direkt vor Beerdigungen«, erzählt Ines Harnke. »Wissen Sie, wie peinlich das ist, wenn die
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