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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest
Autoren: Steffi Wolff
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ausübt. Angenommen, sie wären Architekten (»Och, hab keine Lust zu rechnen, die blöde Statik geht mir eh auf den Keks. Lass uns das jetzt einfach so machen und das Hochhaus bauen, und gib den Plan so weiter, ist doch egal. Ich will jetzt lieber ein Bier trinken.«)! Meiner Meinung nach hat diese bekloppte Gruppe keine Chance auf Folgeaufträge. Jedenfalls hoffe ich das zum Wohle der Menschheit. Wobei ich, auch wenn es mir ein wenig schwerfällt, zugeben muss, dass sie das mit der Maske und den Kostümen super hingekriegt haben. Diese wächsernen Gesichter! Und die Location war auch gut ausgesucht. Es muss einiges gekostet haben, die Ruine zu mieten. Aber vielleicht gehört sie ja auch einem alkoholkranken Landwirt, dem man versprochen hat, dass er jede Menge Schnaps bekommt und nie wieder zu den Anonymen Alkoholikern gehen muss.
    William regt sich immer noch auf. »Du hast doch viel zu früh angerufen, Malte«, klagt er. »Du hättest beinahe alles kaputtgemacht. Hör das nächste Mal einfach besser zu.«
    »Hubertus«, ich höre gar nicht auf William und Malte, sondern gehe auf diesen Mann zu, der mich um den Verstand gebracht
hat. »Als du mich geküsst hast, war das wirklich nicht ernst gemeint?«
    Er antwortet nicht. Schaut mich nur an.
    »Was glaubst du denn?«, fragt er einige Sekunden später.
    »Dass es ernst war.«
    »So, so.«
    »War es nicht?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Es gehörte zum Auftrag. Nicht mehr und nicht weniger.«
    »Aber der Auftrag ist doch jetzt Vergangenheit«, sagt Ännchen. Während ich Hubertus so anschaue, kommt wieder das schöne Gefühl. Ich muss an die Briefe denken, die Herr Richter seinem Ännchen geschrieben hat, an alles, was er durchlitten hat und wie es geendet hätte mit ihm. Er wäre einsam und ohne soziale Kontakte gestorben, vielleicht während er gerade Gelee gekocht hätte. Und Erich wäre dann verhungert. Irgendwann hätte ein Vierzeiler in der Tageszeitung gestanden, und Herr Richter wäre dann in einem billigen Sarg beerdigt worden, noch nicht mal die Harnkes hätten die Beerdigung übernehmen wollen, weil es sich finanziell nicht gelohnt hätte.
    So. Will. Ich. Nicht. Enden.
    Das Gefühl wird stärker. Ich bin für ein paar Sekunden sogar bereit dazu, Kinder zu bekommen. Ich würde mich im Kindergarten engagieren und die Sommerfeste ausrichten, und mein Küchenbord wäre voll mit von zarter Kinderhand gebastelten Korkenmännchen und selbstgemalten Bildern, auf denen sich Häuser mit schiefen Schornsteinen befinden.
    Ich will es wirklich, mein Leben ändern.
    So gern will ich glücklich sein.
    Glücklich ...
    »Als du da gelegen hast, nachdem die Weißhemden auf dich losgegangen sind, habe ich bemerkt, wie viel du mir bedeutest, Hubertus. Ich wollte alles tun, damit du wieder aufwachst. Wirklich.
Ich hätte es nicht ertragen können, wenn du nie wieder aufgestanden wärst.«
    »Ich stehe immer wieder auf«, lässt Hubertus mich wissen. »Ich habe eine Bienenallergie und bin gestochen worden. Ännchen, also Sigrun, sollte eigentlich darauf achten, dass keine Bienen in meine Nähe kommen, aber sie war ja mit anderen Dingen beschäftigt. Irgendwo da unten muss ein Nest sein. Ich bin schon öfters gestochen worden und bis jetzt immer wieder aufgewacht. Ich –«
    »Hubertus«, unterbreche ich ihn und weiß nicht, warum ich das dann sage: »Ich liebe dich.«
    Alle schweigen. Ich glaube, Annkathrin hält sogar die Luft an. Herr Richter und Ännchen halten sich aneinander fest. Bernie räuspert sich und sagt noch nicht mal leise »Haijooo«. Die Harnkes kauen Kaugummi, das Geräusch stört. Frau Wiedekopf vom Marktforschungsunternehmen hat rote Wangen und beißt sich auf die Unterlippe.
    Zottel scheint darauf zu warten, dass Regen, den es hier nicht gibt, lotrecht fällt.
    »Das ist schön für dich, Helene«, sagt Hubertus. »Aber leider muss ich dich enttäuschen. Ich kann diese Aussage leider nicht erwidern. Falls es dich interessiert, ich bin seit zwölf Jahren glücklich verheiratet, und jetzt werde ich gleich nach Hause zu meiner Frau und meinen vier Kindern gehen.«

26

     
    Gut. Das war’s. Es ist vorbei. Ich habe mich komplett zum Affen gemacht. Für nichts und wieder nichts.
    Ich bin sehr, sehr traurig. Und verletzt.
    Ich meine, wer sich ändern will, der braucht doch Ziele, oder nicht? Mein Ziel war es, mit Hubertus zusammen zu sein.
    Und nun ist er verheiratet.
    Warum hat mir das vorher niemand gesagt?
    Wieso hat er mich dann so angesehen und
so
geküsst? Ich
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