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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest
Autoren: Steffi Wolff
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mal wieder verwirrt bin. Und das nicht zu knapp.
    »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie wir uns alle freuen.« Annkathrin lässt sich nicht beirren. »Das war mal eine gute Idee von Bernie und mir. Oder? Jetzt geht es dir doch bestimmt besser. Oder? Hm? Komm, sag schon! Damit hast du doch ganz sicher nicht gerechnet!«
    Nein, Annkathrin, damit habe ich allerdings nicht gerechnet. Wie auch, bitte? Wie hätte ich damit rechnen können, dass mich ein Wolf verfolgt, mit dem ich irgendwann in einem modrigen Keller lande, wo es vor obskuren Gestalten nur so wimmelt, mir ein zotteliger Gruftie erklärt, wie Regen zu fallen hat, von den Modems im Fahrstuhl mal ganz abgesehen, und wo es ganz offenbar alle auf mich abgesehen haben. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich wollte auch nie diese blöde Rotkäppchentracht anziehen, in der ich mir vorkomme wie der letzte Dorftrottel, und nein, das mit dem Heißwasserkocher hätte ich mir auch sparen können, wenn es letztendlich nur nach mir gegangen wäre. Und noch was,
Annkathrin: Wäre ich nicht zu deiner verdammte Hochzeit gefahren, würde ich jetzt wahrscheinlich in meiner ungemütlichen Wohnung sitzen und mir eine Dokumentation auf Phoenix anschauen, meinetwegen über die Herstellung von Foîe gras, was zu meiner Laune passen würde, weil da nämlich Enten und Gänse zwangsgestopft werden, damit sie eine Fettleber bekommen, und stopfen möchte ich euch alle miteinander, also die Mäuler möchte ich euch stopfen. Vielleicht würde ich auch eine Mischbatterie im Badezimmer entfernen, um eine Überschwemmung zu verursachen, weil mir gerade langweilig ist und ich Lust habe, mich mit Klempnern und Nachbarn zu streiten. All das wäre besser als das, was hier gerade vor sich geht.
    Natürlich sage ich das alles nicht, ich denke es nur und muss dabei feststellen, dass ich gar nicht will, dass ich so denke, weil es irgendwie ganz schön asozial ist. Außerdem gönne ich niemandem, zwangsgestopft zu werden.
    Alles wirbelt in meinem Kopf herum, ich möchte so viel fragen, aber mir fehlen schlicht die Worte.
    »Hubertus«, sage ich letztendlich. »Bei allem, was recht ist, bitte sag mir jetzt, was hier los ist. Ich weise mich sonst selbst in die Psychiatrie ein.«
    Hubertus räuspert sich und nickt dabei. »Ja, wir haben es geahnt, dass du hierherkommen würdest.«
    »So. Und weiter?«
    »Tja, das hier, also wir … das ist eine Auftragsarbeit, also man hat uns beauftragt, das mit dir durchzuziehen.«
    Er räuspert sich noch mal.
    Auftragsarbeit?
    »Wie das denn?«, bringe ich endlich hervor.
    Jetzt mischt sich Malte ein. »Dein Leben lang behandelst du alle schlecht. Die Krönung war dein ausfallendes Benehmen auf der Hochzeit deiner besten Freundin. Du hast ihr den Tag versaut. Sie hat’s mir am Telefon erzählt. Brühwarm.«
    »Wie böse.« Jetzt kriegt Goske den Mund auf. »Böse, böse.« In der
Gruppe fühlt er sich sicher und will jetzt endlich mal so richtig aus sich rausgehen. »Böse«, wiederholt Goske. Wie verwegen!
    »Quatsch. Bernie hat den Tag versaut«, sage ich. Das finde ich wirklich. »Er hat viel zu viel getrunken.« Dass ich auch zu viel getrunken habe, möchte ich jetzt nicht ausdiskutieren. Vielleicht geht es ja auch so.
    Hubertus wird nun leicht sauer. »Siehst du, schon wieder. Du gönnst ihr nicht mal ihr Glück. Von den ganzen anderen Leuten ganz zu schweigen. Deswegen hat sich Annkathrin an die Gruppe gewandt. Die inserieren nämlich in Zeitschriften und erledigen die sogenannten Auftragsarbeiten.«
    »Ist das nicht alles total toll und so gut durchdacht? Wir haben dich geläutert! Nun ist alles gut!«, ruft Annkathrin und klatscht in die Hände. »Dass Bernie auf diese Idee gekommen ist, finde ich immer noch so irre toll!«
    »Ja. Toll.« Bernie. Klasse. Ich kann mir schon vorstellen, wie es dazu kam. Wahrscheinlich war er in Saarbrücken im Kino, und da lief vor ein paar Wochen endlich
Dracula
an.
    »Das heißt, das alles hier ist nur gespielt? Ihr wolltet mir was vormachen, mich so richtig auflaufen lassen? Mir mal zeigen, wo der Hase korrekt langläuft, ja?«
    »Richtig.«
    »Das kann ja wohl nicht wahr sein!«
    »Ist es aber. Das hier sind alles Laienschauspieler. Aus Linsengericht.« Sie deutet auf die Kellerasseln, die bestätigend und ein bisschen stolz nicken wie Wackeldackel.
    Laienschauspieler? Ich fasse es nicht. Das sind
diese
Leute, die sich in Hamburg ein tolles Wochenende machen. Mit ihrem Kegelclub oder sonst was. Ich kenne diese Gestalten.
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