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Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse
Autoren: Ma2
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fast überhaupt nicht gesehen. Als Simon hörte, daß er jedes dritte Wochenende nach London reisen und alleine fliegen würde, freute er sich sehr und machte gleich Pläne, was er alles machen und kaufen könnte.
    Ja, es waren merkwürdigerweise richtig schöne Ferien. Die zwei Wochen in Griechenland und dann der lange schwedische Sommer – es war in diesem Jahr ungewöhnlich sonnig und schön – genügten, damit Yvonne sich richtig erholen konnte. Sie räumte ihren Balkon auf, den sie seit Jahren nicht benutzt hatte, kaufte neue Gartenmöbel aus Teak und einen viereckigen Sonnenschirm aus naturweißer Baumwolle und Bambus, und dann saß sie im Schatten und las oder hörte Radio.
    Als sie Ende August wieder ins Büro von »Deine Zeit« kam, hatte sie das Gefühl, das etwas Altes abgeschlossen war und sie im Begriff stand, in eine neue Lebensphase einzutreten.
    Die Zeit, in der sie Nora Brick gewesen war, Bernhard Ekbergs Putzfrau, schien ihr sehr weit weg, ja fast schien es, als wäre es nie gewesen. War es wirklich möglich, daß sie, Yvonne Gärstrand, erfolgreiche Arbeitsberaterin mit Zeitmanagement als Spezialgebiet, begehrte Seminarleiterin und Ausbilderin, das Haus eines fremden Mannes geputzt hatte, in Hosen aus Baumwolljersey und einem ausgeleierten Pulli? War es möglich, daß sie ihren schlanken, sorgfältig gepflegten Körper diesem Mann überlassen hatte? Und war sie wirklich viele Kilometer gefahren, um dessen trau im Gefängnis zu besuchen?
    Ich muß in einer sehr verwirrten Phase meines Lebens gewesen sein, dachte Yvonne. Vielleicht so eine Art Midlife-Krise. Überdruß im Berufsleben, die triste Ehe – ich hatte eine Leere in mir. Ein Vakuumzustand – das war das Wort –, in dem fremde Gegenstände sich an einem festsaugen können, wie ein Glas, das man sich über den Mund stülpt. Hatte sie nicht einmal einen Vortrag darüber gehört? Oder hatte sie selbst einen gehalten?
    Na, wie auch immer, es war jetzt vorbei. Sie saß in ihrem sparsam möblierten Büro, in einem einfachen, aber eleganten Leinenkostüm und war wieder die normale, ausgeglichene, effektive Yvonne. Und mit dem Gefühl, das man hat, wenn man aus einem Alptraum aufwacht und sich in seinem sicheren Schlafzimmer wiederfindet, rief sie aus: »Mein Gott, wie wunderbar!«
    In diesem Moment klopfte es an der Tür. Eine der jungen Frauen, die die Schreibtische aufräumen, schaute herein.
    »Du hast Besuch«, sagte sie.
    Yvonne runzelte die Stirn und warf einen Blick auf ihren Kalender. Hatte sie einen Termin? War sie in den Ferien vergeßlich geworden?
    Eine Frau um die fünfzig, mit kurzen eisgrauen Haaren und einem wettergegerbten Gesicht trat ein. Ohne auf Yvonnes Aufforderung zu warten, setzte sie sich in den Besuchersessel.
    »Guten Tag«, sagte Yvonne verwirrt und versuchte, die Frau irgendwo unterzubringen.
    »Yvonne Gärstrand?« fragte die Frau. Sie hatte eine dunkle, heisere Stimme, vermutlich vom jahrelangen Rauchen.
    Yvonne nickte.
    Die Frau stellte sich mit einem Namen vor, den Yvonne sofort wieder vergaß, weil sie im nächsten Moment hinzufügte:
    »Kriminalpolizei.«
    Yvonne antwortete mit der ängstlichen Standardfrage, die die Frau sicher schon tausendmal bei solchen Gelegenheiten gehört hatte.
    »Ist etwas passiert?«
    »Ich ermittle in einem Fall«, sagte die Frau. »Sie können mir möglicherweise helfen.«
    »Gerne. Wenn ich kann«, antwortete Yvonne entgegenkommend.
    »Wir würden gerne in Kontakt kommen mit einer Frau namens Nora Brick. Kennen Sie sie?«
    Der Name kam zwischen den trockenen, blutlosen Lippen der Frau herausgezischt, blitzschnell und unerwartet, wie ein Schlangenbiß.
    »Wieso?« fragte Yvonne dumm. »Ich meine, wie heißt sie?«
    Die Polizistin wiederholte den Namen.
    »Nein, ich kenne niemanden mit diesem Namen«, sagte Yvonne.
    »Wir haben einen Verdächtigen. Nora Brick hat als Putzfrau bei ihm gearbeitet. Sie könnte eine wichtige Zeugin sein, und wir würden gerne mit ihr in Kontakt kommen.«
    Die Polizei hatte also neue Ermittlungen aufgenommen. Aber warum kamen sie zu ihr?
    Als ob die Frau ihre Gedanken gelesen hätte, reichte sie Yvonne eine kleine Karte. Yvonne betrachtete sie erstaunt und verwirrt. Es war eine Visitenkarte von »Deine Zeit« mit dem Tautropfenlogo und ihrem Namen.
    »Der Verdächtige hatte die Karte in seiner Brieftasche«, erklärte die Polizistin. »Er bekam sie von Nora Brick, als sie sich bei ihm bewarb. Sie gab ihm die Karte als Referenz. Sie behauptete, bei Ihnen
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