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Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse
Autoren: Ma2
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mitten im Schlag innehielt und in der Luft blieb. Helena wußte es doch auch! Sie kannte Bernhard schließlich viel besser als Yvonne. Sie muß doch genau gewußt haben, wie er reagieren würde. War das der Gipfel ihrer Selbstauslöschung? Das Juwel in der Märtyrerkrone? Vielleicht hatten gar nicht irgendwelche unbedacht hingeworfenen Worte Bernhards Tat ausgelöst, sondern ein wohleinstudiertes Stichwort in Helenas glanzvoller, letzter Opferrolle.
    Wie gut muß ihr das gepaßt haben, daß jemand anders sie aufforderte, Bernhard zu verlassen. Auf den Opferaltar geschubst zu werden.
    Es raschelte im Wald. Yvonne drehte sich um. Unter den Bäumen bewegte sich jemand. Im nächsten Moment sah sie ihn hinter dem Felsen hervorschauen und dann in den Mondschein treten: ein Waldwesen mit langen, schlanken Gliedern, geschmeidigen Bewegungen und krausen, wild wachsenden Haaren. Der Gartenmann, Magnus. Mit einem weichen Sprung war er über dem Absperrungsband und setzte sich neben sie auf die Bank.
    »Hallo. Lange nicht gesehen«, sagte er. »Ich habe gedacht, du hast hier gekündigt?«
    »Das habe ich auch«, sagte Yvonne. »Ich bin nur zufällig hier.«
    »Hat sich verändert. Neue Grenzen und Hindernisse, die es zu überwinden gilt.« Er nickte in Richtung des blauweißen Plastikbands. »Offensichtlich ist hier so einiges passiert. War vielleicht gut, daß du aufgehört hast.«
    Sie fragte sich, was er wußte. Er hatte bei ihrer Gartenwanderung gesagt, daß er keinen Fernseher hatte, aber er konnte die Neuigkeit ja aus dem Radio oder dem Internet wissen.
    »Du bist also noch unterwegs?« sagte sie, um das Thema zu wechseln.
    »Ja, aber ich habe im Moment nicht viel Zeit. Ich habe auch gekündigt. Ich habe jetzt einen neuen Job, in einer Gärtnerei. Gefällt mir prima, aber ich bin abends total fertig. Manchmal mache ich eine Runde. Die Lust ist noch da. Darf ich mal dein Handy haben?«
    »Ja«, sagte sie verwirrt und holte es aus der Jackentasche.
    Er drückte darauf herum und gab es ihr dann wieder zurück, ohne es auch nur ans Ohr gehalten zu haben.
    »Was hast du gemacht?« fragte sie erstaunt.
    »Ich habe meine Telefonnummer gespeichert, falls du mal wieder mitkommen willst. Du brauchst nur anzurufen, dann machen wir einen Termin aus. Es hat dir doch Spaß gemacht?«
    Sie lächelte über seine Begeisterung.
    »Ja, es hat wirklich Spaß gemacht. Aber ich glaube eher nicht. Ich habe genug Leute beobachtet. Ich melde mich vielleicht, wenn ich Pflanzen aus der Gärtnerei brauche. Ich habe meinen Balkon aufgeräumt. Aber vielleicht ist es zu spät im Jahr.«
    »Überhaupt nicht. Wir haben jede Menge geeignete Pflanzen. Manche Sommerblumen und Geranien kann man noch lange kaufen. Und dann gibt es Astern in allen Farben. Ruf mich an, dann stelle ich dir einen tollen Balkon zusammen. Ich mache dir einen guten Preis. Aber jetzt muß ich weiter.«
    Er stand auf und lief gebückt durch das hohe Gras auf die Tannenhecke zu. Yvonne drehte sich um und sah, wie er auf allen vieren an die Stelle kroch, wo das Loch in der Hecke war. Eine Wolke zog über den Mond, die Tannenhecke wurde von der Dunkelheit aufgesaugt, und als das Mondlicht wieder schien, war er verschwunden.

29
    Der Mond scheint über dem Vorort.
    Der Phlox blüht weiß und rosa an den Hauswänden des Nachrichtenmannes, und im Garten nebenan sind die großen, blauen Pflaumen reif.
    Im lila Haus scheint sanftes Licht hinter den Schlafzimmervorhängen. Vielleicht liegen Vivianne und Hasse wach unter der lachsrosa Seidendecke, schaudern über den Mord im Orchideenweg und schätzen sich glücklich, daß es in ihrer Ehe keinen solchen besinnungslosen Haß gibt.
    Die Glückliche Familie hat ein Gartenfest gefeiert und die Tische nicht abgedeckt. Vielleicht wurden die Eltern von Lust aufeinander überrascht, nachdem die letzten Gäste gegangen waren, und hatten es eilig ins Bett.
    Die Papierservietten liegen im Gras und flattern gespenstisch im Mondlicht, eine Katze ist auf einen Tisch gesprungen und freut sich über die Essensreste.
    In einem Garten hängt Wäsche auf einer Leine zwischen zwei Apfelbäumen: eine lange Reihe von roten Fußballtrikots.
    An der Anschlagtafel lädt der Siedlerverein zur Versammlung ein. Der Vorsitzende hat einen iranischen Namen.
    Aber all das sieht Yvonne nicht.
    Sie geht schnell an den Häusern vorbei, die Augen geradeaus gerichtet. Sie setzt sich in ihr Auto, startet und fährt los.
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