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Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse
Autoren: Ma2
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Menschen roch.
    Yvonne knöpfte den Nora-Brick-Mantel zu, hängte die Plastiktasche über die Schulter und ging.

7
    Sie hatte schon dreimal geklingelt, aber niemand öffnete. Ein leichter Wind kam aus dem nahen Wald, und sie konnte den Klang des Windspiels aus dem hinteren Teil des Gartens hören. Es klang spröde und einsam. Aus dem Inneren des Hauses drang kein Laut, und die Auffahrt war wie immer leer.
    Einmal würde sie noch klingeln und dann aufgeben, entschied sie. Aber gerade als sie den Finger auf die Klingel legte, wurde die Tür geöffnet.
    Das erste, was ihr an seinem Gesicht auffiel, waren die weichen Formen. Die runde Nasenspitze, die breiten und wohlgeformten Lippen, die gewölbte Stirn mit dem hohen Haaransatz. In der Oberlippe ein tiefes Grübchen. Er glich einer reifen Frucht, die jemand gedrückt hatte, sanft und vorsichtig.
    Er schien genauso groß wie sie zu sein (das heißt eins zweiundsiebzig), seine Augen schauten nämlich geradewegs in ihre. Sie waren braun, groß und schauten erschrocken.
    »Haben Sie vergessen, daß ich heute abend kommen wollte?« sagte sie. »Sie haben gesagt ›heute abend‹, aber wenn es nicht paßt, kann ich ein anderes Mal wiederkommen.«
    Als er immer noch nicht antwortete, sagte sie:
    »Ich möchte mich wegen der Putzstelle vorstellen.«
    »Oh«, rief er aus.
    Ein Anflug von Erleichterung, dann straffte sich das Gesicht, und das Weiche und Knabenhafte verschwand zugunsten männlicher Entschlossenheit.
    »Ach ja, richtig. Kommen Sie herein.«
    Er führte sie durch eine Diele – sie war viel zu nervös, um sich genau umzuschauen, obwohl sie ja nur deswegen hier war – und in ein Wohnzimmer, wo er ihr einen Platz anbot. Yvonne zog den Mantel aus und legte ihn in den Schoß.
    »Also«, sagte B. Ekberg und setzte sich in einen Sessel ihr gegenüber. »Können Sie ein bißchen was von sich erzählen? Über ihre Erfahrung in Putzen und Hausarbeit«, fügte er rasch hinzu, als ob er Angst bekommen hätte und sie die Gelegenheit ergreifen könnte, um ihre Lebensgeschichte zu erzählen.
    »Ich putze seit vielen Jahren«, sagte sie etwas vage und schaute sich im Zimmer um.
    Sie registrierte einen sehr schönen antiken Bücherschrank, einen Perserteppich in dunkelroten Tönen und einen großen Eßtisch aus Eiche, der offenbar als Arbeitstisch diente, er war überhäuft mit Büchern und Papierstapeln.
    In dem einen Fenster stand die kleine grüne Vase, die sie von außen gesehen hatte. In den anderen beiden – die nicht zur Straße gingen und die sie deshalb nicht hatte sehen können – standen tote, vertrocknete Topfpflanzen.
    »Sie putzen zur Zeit in einem Büro, sagten Sie?«
    »Genau. Aber das sind nur ein paar Stunden, ich muß mehr arbeiten. Um wie viele Stunden handelt es sich bei Ihnen?«
    »Ein Büro ist ja nicht ganz das gleiche wie eine Wohnung«, sagte B. Ekberg, senkte die Stimme zu einem jovialen Baß und lehnte sich im Sessel zurück. »Es ist ein großer Unterschied, in einem Büro zu putzen oder in einer Privatwohnung, das verstehen Sie wohl.«
    Er hatte ihre Frage nicht beantwortet, und sie versuchte, ihren Ärger nicht zu zeigen.
    »Eine Wohnung, eine Wohnung wie diese hier«, fügte er rasch hinzu und machte eine Handbewegung, die andeuten sollte, daß er nicht irgendeine Vorstadtbude meinte, »erfordert besondere Sorgfalt. Hier gibt es empfindliche Flächen, Hölzer, die poliert werden müssen, und antike Gegenstände, die uns besonders am Herzen liegen. Hm. Und Parkettböden. Wissen Sie zum Beispiel, wie man ein Parkett behandelt?«
    Wenn Yvonne in all den Kursen über persönliche Entwicklung und mentales Training, die sie im Lauf der Jahre absolviert hatte, irgend etwas gelernt hätte, dann hätte sie trennen können zwischen ihrem eigenen Wert und dem Bild, das B. Ekberg von ihr hatte und das von seinen Wünschen gefärbt war, und sie hätte unbeschwert geantwortet: »Tja, ich habe bisher zwar hauptsächlich Linoleumböden geputzt, aber einen Parkettboden werde ich auch schaffen. Man scheuert ihn mit der Wurzelbürste und Scheuerpulver und warmem Wasser. Nur keine Sorge, mein Herr, ich krieg den Boden schon sauber. Und der alte Schrank da, der kann die Bürste auch mal vertragen, wenn ich schon dabei bin.«
    Dann hätte er sich an den Kopf gefaßt, sich über den Abgrund an Unwissenheit in der edlen Kunst des Putzens empört und gesagt: »Sie sind absolut nicht die richtige Person für diesen Job.«
    Und sie hätte ihren Nora-Brick-Mantel nehmen
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