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Sarum

Sarum

Titel: Sarum
Autoren: Edward Rutherfurd
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aus einer noch frühen Periode. Die letzte Ausgrabung beeindruckte ihn jedoch am meisten: Wie mit einem Messer kreuzförmig eingeschnitten, lag in seiner Vollkommenheit der sorgfältig konstruierte agger der großen römischen Straße nach Südwesten vor ihnen. »Er hat eine Haltestation entdeckt«, erklärte Porters und zeigte auf ein erst kürzlich freigelegtes Gebiet, »Entwässerungsgräben, Münzen… einen Schatz.« Sein Gesicht strahlte, als er sich an seine eigenen – bescheideneren – Funde vor Jahren in den alten Wasserkanälen erinnerte. All dies befand sich jetzt in dem kleinen Museum in der St. Anne Street.
    Er führte Jane so stolz herum, als wäre es sein Eigentum. Malerei, Keramik, Kunsthandwerk, landwirtschaftliche Geräte – es war bereits eine umfassende Sammlung. Aber nicht nur die Größe beeindruckte Porters.
    »Seht die Anordnung, Miss Shockley«, erklärte er. »Jeder Gegenstand ist nach seiner Eigenart ausgestellt, so daß man die Evolution über die Zeiten hinweg erkennen kann. Pitt-Rivers möchte die Menschen zu ihrem eigenen Wohle weiterbilden.«
    »Glaubt Ihr denn, daß man die Gesellschaft verbessern kann, Mr. Porters?«
    »Ich glaube, daß sie sich ständig weiterentwickelt.« »Glaubt Ihr an menschlichen Fortschritt?«
    »Natürlich.«
    »Und daß die Menschen in jeder Generation etwas höher steigen, ihre Fähigkeiten weiter ausbilden?«
    »O ja. Das ist Fortschritt.«
    »Trifft dies auch auf Frauen zu?«
    »O ja.«
    »Wann wird die Gesellschaft wohl weit genug sein, um den Frauen dieselben Rechte und Freiheiten zu gewähren wie den Männern?« Er blickte verwirrt drein. Wie konnte es sein, fragte Jane sich, daß der so fortschrittsgläubige Porters sofort einen Rückzieher machte, wenn er sich mit einer Idee konfrontiert sah, die die männliche Autorität in Frage stellen konnte?
    »Ich befürworte sehr wohl einige Reformen. Zum Beispiel das Besitzrecht für verheiratete Frauen… «
    »Das einer verheirateten Frau gestattet, ihr Eigentum zu behalten, statt daß es ihr von ihrem Ehemann weggenommen wird? Was soll das?«
    »Es ist ein Anfang.«
    »Die Kampagne für das Frauenstimmrecht begann vor zwanzig Jahren«, erinnerte sie ihn. »Und doch sind die Frauen keinen Schritt weiter. Keine Frau darf wählen. Warum gilt die Demokratie nur für Männer?« Die Diskussion verlief ganz nach Janes Plan. Er wußte nichts davon, aber Porters war ihr Versuchskaninchen. »Diese Fragen wurden im Parlament diskutiert und abgelehnt.«
    »Nicht ganz. Die Gesetzesanträge erhielten eine zweite Lesung. Sie hätten zum Gesetz erklärt werden müssen, doch das Kabinett hält sie weiterhin zurück.«
    »Aber in einigen Gebieten im Norden geht die Bewegung des Frauenwahlrechts zurück«, entgegnete er.
    »Nur weil die Frauen von den Männern entmutigt werden, die sie nicht unterstützen.«
    »Ihr solltet Euch vorsehen, Miss Shockley, und in Sarum nicht zuviel darüber sprechen. Dr. Pankhurst, der die Bewegung leitet, ist nicht überall beliebt. Wie Ihr wißt, ist er Sozialist und Republikaner.«
    »Florence Nightingale unterstützt die Bewegung, und sie ist keins von beiden«, konterte Jane. »In zwei Tagen werde ich in Sarum eine Gesellschaft für das Frauenwahlrecht gründen«, sagte sie stolz. »Und wenn Ihr, wie Ihr sagt, an den Fortschritt glaubt, werdet Ihr mich unterstützen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht.« Sie starrte ihn an. Sie war sich so sicher gewesen, daß sie das Wortgefecht gewinnen würde: »Dann, Mr. Porters, ist es wohl besser, wenn Ihr nicht mehr bei mir vorsprecht.«
    Die Zusammenkunft im White Hart Hotel war lautstark. Beide Seiten waren vertreten, auch der Leiter der Gegner der Staatskirche, Mr. Pye-Smith.
    Aber die Ansprache des Abends, die die Halle zum Schweigen brachte, hielt Miss Shockley. Sie sprach sehr einfach, aus ihrer eigenen Erfahrung heraus.
    »Es ist richtig, daß in einer anglikanischen Schule die Kinder der anderen Konfessionen sich entfernen dürfen, wenn anglikanische Angelegenheiten behandelt werden. Aus meiner eigenen Erfahrung als Lehrerin kann ich aber sagen, daß diese Kinder in der Zwischenzeit auf kalten Gängen herumstehen müssen und manchmal sogar von den anderen verprügelt werden. Noch öfter – um die Wahrheit zu sagen – werden die Wünsche der Eltern mißachtet und die Kinder gezwungen, am anglikanischen Religionsunterricht teilzunehmen.«
    Als der Einwand kam, der Bischof habe selbst angeboten, eine neue weiterführende
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