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Sarum

Sarum

Titel: Sarum
Autoren: Edward Rutherfurd
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und jagten das gefährliche Wildschwein mit seinen gräßlichen Hauern und seinem köstlichen Fleisch. An den Abhängen fand Akun Beeren von Wacholder, Schlehdorn und Weißdorn. In den Flüssen fing Tep Forellen, Lachse, Hechte, Flußbarsche, Äschen und Aale. Die Jäger hatten eine abwechslungsreiche Kost.
    Esche, Erle und Tanne gaben gutes Holz. Neben Tonerde waren überall in der Kreide Feuersteinablagerungen eingebettet, aus denen Pfeilspitzen hergestellt wurden. Auf der Anhöhe führte an einer bestimmten Stelle, einige Meilen östlich des Tales, eine Öffnung in eine kleine natürliche Feuersteinmine; als Hwll und Tep ein Stück tiefer gruben, fanden sie wunderschöne Steine, die sie leicht abbauen konnten. Hwll und Akun gaben ihre Lebensgewohnheiten aus der Tundra nicht völlig auf. Sie hatten nichts im Sinn mit einer stickigen Hütte, wie Tep sie das ganze Jahr über bewohnte. Im Winter gruben sie ein großes rechteckiges Loch tief in den Hügelabhang und verkleideten den Eingang mit Reisig und Schilf, um die Wärme innen zu bewahren, doch wenn es Frühling wurde, stellten sie ihr Zelt an der warmen Hügelseite mit dem Blick ins Tal auf und schlugen die Öffnungsklappen zurück, daß mit der Brise der süße Duft nach Frühlingslaub und Sommergras hereinströmte.
    Die Winter waren auch hier lang und hart, und der Ostwind fegte wohl auch ein Schneegestöber über die Höhen, so schrecklich, wie sie es aus dem Norden kannten, doch der Frühling war warm und erregend. Die klaren Bäche stürzten mit dem Schmelzwasser zu Tale, und der kleine Fluß am Hügel schwoll plötzlich zu einem tobenden Hochwasser an. Ein Jahr nach ihrer Ankunft entdeckte Hwll im Hochsommer eine der eindrucksvollsten Schönheiten der Gegend. An einem sonnigen Nachmittag wanderte er mit Akun über die Höhen, und nach ein paar Meilen gelangten sie auf eine große Lichtung.
    Etwa dreißig Jahre zuvor war sie auf einem sanft abfallenden Hang von einer Jägergemeinschaft gerodet worden, die dort für mehrere Jahre ihr Lager aufgeschlagen und alle Bäume gefällt hatte. Hwll fragte sich, warum der Boden so merkwürdig blau gefärbt war. Akun lief lachend und in die Hände klatschend auf die Lichtung: Da zerstreute sich das blaue Feld vor seinen Augen, und hunderttausend blaue Schmetterlinge taumelten aufgeschreckt hoch. Es waren Adonisfalter – die blauen Falter der Kreidehügel, die auf den leeren Flächen des Plateaus zu Hause waren. Als Hwll Akun inmitten dieser Wolke aus blauen Flügeln betrachtete, hüpfte sein Herz vor Freude. Er lief auf sie zu, zog sie auf den Boden, und sie liebten sich leidenschaftlich.
    Drei Jahre lang lebten die Familien friedlich miteinander, und Hwlls breites, zerfurchtes Gesicht legte sich in zufriedene Falten, wenn er seine Familie ansah. Der Junge, Otter, war ein starker stämmiger Bursche, aufgeweckt und tüchtig. Er ging schon mit Teps Kindern auf die Jagd in den Tälern, und bald zeigte Otter sich ebenso geschickt wie die anderen, wenn es darum ging, kleine Tiere in Fallen zu locken. Vata, das Mädchen, hatte Akuns wunderschöne haselnußbraune Augen. Sie war ihrer Mutter inzwischen so ähnlich, daß Hwll manchmal darüber lachen mußte; er hatte sie gern um sich, und es tat ihm leid, daß er sie Teps Sohn versprochen hatte, der allem Anschein nach ebenso unbeugsam und unzuverlässig wie sein Vater werden würde.
    Doch er hatte das Versprechen gegeben, und dagegen war wohl nichts zu machen. Abgesehen von diesem Problem war seine Freude fast vollkommen, als er zu Beginn des zweiten Jahres in der neuen Heimat merkte, daß Akun noch ein Kind haben würde; in jenem Sommer gebar sie wieder einen gesunden Sohn. Daraus schloß der Jäger, daß die Mondgöttin, der er jedes Jahr ein Tier opferte, ihn und seine Familie gesegnet hatte. Tep war froh, daß er nicht länger geächtet wurde. Er jagte oft mit Hwll, und manchmal verschwand er in seinem Einbaum den Fluß hinab und kam einige Tage später mit Pelikanfleisch oder einer anderen Delikatesse aus dem See zurück, oder er brachte die glänzenden Federn eines Wasservogels mit, die Ulla, endlich einmal lächelnd, in einen Korb einflocht.
    Ullas Leben änderte sich kaum. Manchmal erschien sie mit einem blauen Auge oder sonst einer Spur der Schläge, die Tep ihr hin und wieder verabreichte; aber sie beschwerte sich kaum über die Plackerei, die sie durchmachte.
    Im Sommer des vierten Jahres geschah allerdings etwas, was die beiden Familien fast zugrunde gerichtet
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