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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau
Autoren: Kerstin Gier
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zurück und sagte: »Wenn Ihr mir bitte folgen wollt.«
    Ich hatte mich wieder auf den Sessel sinken lassen und mit geschlossenen Augen auf die Tränen gewartet, aber die wollten nicht kommen. Was vielleicht auch besser war. Stumm folgte ich dem Sekretär wieder die Treppe hinunter, wo wir eine Weile einfach nur so herumstanden (ich dachte immer noch, dass ich umfallen und sterben würde), bis der Mann einen besorgten Blick auf die Wanduhr warf und sagte: »Er kommt zu spät.«
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und Gideon betrat den Gang. Mein Herz vergaß für einen Moment, dass es eigentlich bereits zerschmettert auf dem Grund einer Schlucht lag, und klopfte ein paar schnelle Schläge lang in meiner Brust. Die Kälte in meinem Körper wurde von wilder Sorge verdrängt. Den derangierten Zustand von Gideons Kleidung, seine zerzausten, verschwitzten Haare, die geröteten Wangen und seine beinahe fiebrig leuchtenden grünen Augen hätte ich möglicherweise noch Lady Lavinia in die Schuhe geschoben, aber da war ein tiefer Riss in seinem Ärmel und die Spitzenbesätze an der Brust und den Handgelenken waren blutgetränkt.
    »Ihr seid verletzt, Sir«, rief der mürrische Sekretär erschrocken, womit er mir die Worte aus dem Mund nahm. (Okay, ohne das Sir. Und ohne das »Ihr«.) »Ich werde einen Arzt rufen lassen!«
    »Nein«, sagte Gideon und dabei wirkte er so selbstsicher, dass ich ihn am liebsten geohrfeigt hätte. »Das ist nicht mein Blut. Jedenfalls nicht alles. Komm, Gwen, wir müssen uns beeilen. Ich bin ein bisschen aufgehalten worden.«
    Er griff nach meiner Hand und zog mich vorwärts und der Sekretär folgte uns bis hinunter zur Treppe, wobei er ein paar Mal »Aber Sir! Was ist denn passiert? Sollten wir nicht den Marquis . . .?« stammelte. Aber Gideon erwiderte, dafür sei jetzt keine Zeit und er würde den Grafen so schnell wie möglich wieder aufsuchen, um ihm Bericht zu erstatten.
    »Von hier aus gehen wir allein weiter«, sagte er, als wir am Fuß der Treppe angelangt waren, wo die beiden Wachen mit blank gezogenen Degen standen. »Bitte entrichtet dem Marquis meine Empfehlungen! Qui nescit dissimulare nescit regnare.«
    Die beiden Wächter gaben den Weg frei und der Sekretär verbeugte sich zum Abschied. Gideon nahm eine Fackel aus ihrer Halterung und zog mich weiter vorwärts. »Komm, wir haben höchstens noch zwei Minuten!« Immer noch wirkte er ganz aufgekratzt. »Weißt du mittlerweile, was die Parole bedeutet?«
    »Nein«, sagte ich und wunderte mich selbst, dass mein in Windeseile nachgewachsenes Herz sich weigerte, wieder zurück in die Schlucht zu fallen. Es tat einfach so, als wäre alles in Ordnung, und die Hoffnung, es könne am Ende recht haben, brachte mich beinahe um. »Dafür habe ich etwas anderes herausgefunden. Wessen Blut ist das auf deinen Sachen?«
    »Wer nicht zu heucheln weiß, der weiß auch nicht zu herrschen.«
Gideon leuchtete mit der Fackel um die letzte Ecke. »Ludwig der Elfte.«
    »Wie passend«, sagte ich.
    »Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wie der Kerl hieß, dessen Blut mir die Klamotten versaut hat. Madame Rossini wird sicher schimpfen.« Gideon drückte die Tür zum Labor auf und steckte die Fackel in eine Halterung an der Wand.
    Das flackernde Licht beleuchtete einen großen Tisch voller seltsamer Apparate, gläserner Flaschen, Fläschchen und Becher, gefüllt mit Flüssigkeiten und Pulvern in unterschiedlichen Farben. Die Wände lagen im Schatten, aber ich konnte sehen, dass sie beinahe flächendeckend bemalt und beschrieben waren, und gleich über der Fackel grinste ein grob gezeichneter Totenkopf mit Drudenfüßen anstelle der Augenhöhlen.
    »Komm hierhin«, sagte Gideon und zog mich auf die andere Seite des Tisches. Endlich ließ er meine Hand los. Aber nur um beide Hände um meine Taille zu legen und mich an sich zu ziehen. »Wie war dein Gespräch mit dem Grafen?«
    »Es war sehr . .. aufschlussreich«, sagte ich. Das Phantomherz in meiner Brust flatterte wie ein kleiner Vogel und ich schluckte den Kloß in meiner Kehle hinunter. »Der Graf hat mir erklärt, dass du . . . dass du und er die bizarre Ansicht teilt, eine verliebte Frau sei leichter zu kontrollieren als eine andere. Es muss ärgerlich gewesen sein, die ganze anstrengende Vorarbeit bei Charlotte geleistet zu haben und dann bei mir noch einmal ganz von vorne anfangen zu müssen, oder?«
    »Was sagst du da?« Gideon starrte mich mit gerunzelter Stirn an.
    »Du hast das aber wirklich
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