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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau
Autoren: Kerstin Gier
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Alastair dort auch wirklich treffen werden. Weiß er meine kleine Vorführung denn zu schätzen?«
    »Er wirkt auf jeden Fall beeindruckt«, erwiderte ich. »Aber nicht wirklich eingeschüchtert. Er sagt, er würde dafür sorgen, dass wir niemals geboren werden würden. Und irgendwas von Ausgeburten der Hölle.«
    »Ja, er hat einen bedauerlichen Hang zu unhöflichen Formulierungen«, sagte der Graf. »Allerdings kein Vergleich zu seinem Urahn, dem Conte di Madrone. Ich hätte ihn damals töten sollen, als ich noch die Gelegenheit dazu harte. Aber ich war jung und hatte eine bedauernswert naive Einstellung . . . Nun, diesen Fehler mache ich kein zweites Mal. Auch wenn ich ihn nicht eigenhändig zur Strecke bringen kann: Die Tage des Lords sind gezählt, ganz gleich, wie viele Männer er zu seinem Schutz um sich versammelt und wie virtuos er mit seinem Degen umgehen mag. Wenn ich noch ein junger Mann wäre, würde ich ihn selber herausfordern. Nun aber kann das mein Nachkomme übernehmen. Gideons Fechtkünste sind beachtlich. «
    Bei der Erwähnung von Gideons Namen wurde mir wie so oft ganz warm. Ich musste daran denken, was er vorhin gesagt hatte, und dabei wurde mir gleich noch ein bisschen wärmer.
    Unwillkürlich sah ich mich zur Tür um. »Wohin ist er eigentlich gegangen?«
    »Er wird einen Ausflug machen«, sagte der Graf leichthin. »Die Zeit reicht gerade so, um einer lieben jungen Freundin von mir einem Nachmittagsbesuch abzustatten. Sie wohnt ganz in der Nähe, und wenn er die Kutsche nimmt, ist er in ein paar Minuten bei ihr.«
    Wie bitte?
    »Macht er das öfter?«
    Der Graf lächelte wieder, ein warmes, freundliches Lächeln, hinter dem aber etwas anderes lauerte, etwas, das ich nicht deuten konnte. »So lange kennt er sie noch nicht. Ich habe die beiden erst vor Kurzem einander vorgestellt. Sie ist eine kluge, junge und sehr attraktive Witwe und ich stehe auf dem Standpunkt, dass es einem jungen Mann nicht schaden kann, sich in der Gesellschaft einer erfahrenen Frau - nun, ein wenig aufzuhalten.«
    Ich war unfähig, darauf etwas zu erwidern, aber offensichtlich wurde das auch gar nicht von mir erwartet.
    »Lavinia Rutland gehört zu den gesegneten Frauen, denen es Freude bereitet, ihre Erfahrungen weiterzugeben«, sagte der Graf.
    Ja, in der Tat. So schätzte ich sie auch ein. Ich starrte aufgebracht auf meine Hände, die sich von ganz allein zu Fäusten geballt hatten. Lavinia Rutland, die Dame im grünen Kleid. Daher also diese Vertrautheit gestern Abend . . .
    »Ich habe den Eindruck, diese Vorstellung behagt dir nicht«, sagte der Graf mit weicher Stimme.
    Da hatte er wohl recht. Das behagte mir ganz und gar nicht. Ich schaffte es nur mit großer Überwindung, dem Grafen wieder in die Augen zu schauen.
    Er lächelte immer noch dieses warme, freundliche Lächeln. »Meine Kleine, es ist wichtig, früh zu lernen, dass keine Frau irgendwelche Besitzansprüche auf einen Mann erheben kann. Frauen, die das tun, enden ungeliebt und einsam. Je klüger eine Frau ist, desto früher wird sie sich mit der Natur des Mannes arrangieren.«
    Was für ein saudummes Geschwafel!
    »Oh, aber natürlich bist du noch
sehr
jung, nicht wahr? Mir scheint, viel jünger als andere Mädchen in deinem Alter. Wahrscheinlich bist du gerade zum allerersten Mal verliebt.«
    »Nein«, murmelte ich.
    Doch. Doch! Zum allerersten Mal auf jeden Fall fühlte es sich so an. So berauschend. So existentiell. So einzigartig. So schmerzlich. So süß.
    Der Graf lachte leise. »Kein Grund, sich schämen. Ich wäre enttäuscht, wenn es anders wäre.«
    Das Gleiche hatte er auch auf der Soiree gesagt, als ich wegen Gideons Geigenspiel in Tränen ausgebrochen war.
    »Im Grunde ist es ganz simpel: Eine Frau, die liebt, würde, ohne zu zögern, für ihren Liebsten sterben«, sagte der Graf. »Würdest du für Gideon dein Leben geben?«
    Am liebsten nicht. »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht«, sagte ich verwirrt.
    Der Graf seufzte. »Bedauerlicherweise - und dank der fragwürdigen Protektion deiner Mutter - hattet ihr noch nicht allzu viel Zeit miteinander, du und Gideon, aber ich bin jetzt schon beeindruckt, wie gut er seine Sache gemacht hat. Die Liebe leuchtet dir ja förmlich aus den Augen. Die Liebe - und die Eifersucht!«
    Welche Sache?
    »Nichts ist leichter zu berechnen als die Reaktion einer verliebten Frau. Niemand ist leichter zu kontrollieren als eine Frau, die von ihren Gefühlen für den Mann bestimmt wird«, fuhr der Graf fort.
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