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Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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entgegen und wirkte auf den ersten Blick, als sei er betrunken. Dann aber, als er die beiden erkannte, hellte sich sein Gesicht auf. Der alte Baron (niemand von den Freunden kannte seinen wahren Namen) wohnte in einer Hütte, einer Art Schuppen, am Ufer der Havel, es zog ihn jeden Tag in die Gegend unterhalb des Parks, dort kaufte er sich das billigste Bier und saß herum. Übrigens bettelte er nicht, sondern versah manchmal kleine hausmeisterliche Tätigkeiten bei einem Spediteur, er fegte den Hof oder versorgte die zahlreichen Kaninchen, die der Spediteur in Ställen auf seinem Hinterhof hielt. Der alte Baron hatte Probleme mit seinem Knie. Manchmal ging er an Krücken. Seinen Namen trug er, weil er hin und wieder an Festtagen vor dem Neuen Palais im Park saß, offiziell Hof hielt (er trug dann eine Kapitänsmütze) und Baron genannt werden wollte.Ansonsten mied er den Park komplett, er war nicht sein Terrain.
    Als die beiden Zwillinge herankamen, hob er die Flasche. Die Engelein singen auf Erden, rief er. Was soll das heißen, fragte Heike und blieb stehen. Immer, sagte der Baron, wenn jemand stirbt, dann singen die Engelein. Und zwar hier unten. Sie singen sonst nicht auf Erden. Hört ihr sie nicht? Der alte Baron drehte den Kopf, schaute lauschend in eine undefinierbare Ferne, als hörte er die Engelein genau dort singen, und wies mit der Bierflasche in die Richtung. Dann griff er Arnold an den Arm und meinte: Es kommen hier neuerdings ganz schön viele Fremde vorbei. Was die bloß wollen? Ich kenne mich hier ziemlich gut aus, nicht nur in der Lennéstraße, sondern auch bei eurem Hornung in der Gregoriusstraße. Euer Freund war heute nacht auch da, der kleine, dieser Schüchterne, wie heißt er? Heike: Nils Ebert. Der Baron: Genau, den habe ich heute nacht gesehen. Ich habe nur einmal durchs Fenster hineingeschaut, euer Freund kramte im ganzen Haus herum, ich weiß nicht, was er da gemacht hat. Er schien etwas zu suchen. Es brannte auch nur eine Kerze, er machte das Licht gar nicht erst an. Vielleicht wollte er nicht gesehen werden? Arnold: Baron, was hat das zu bedeuten? Woher weißt du das alles? Der alte Baron grinste. Er wisse noch einiges mehr. Da waren noch andere Leute heute nacht. Heike: Warst du wieder bei Max im Garten? Übernachtest du da inzwischen ständig? Der Baron schwieg. Offenbar schämte er sich.
    Die beiden Zwillinge machten keine Anstalten weiterzugehen. Heike wollte auch ein Bier haben. Arnoldmerkte, daß der Baron ihm die ganze Zeit auf die Füße starrte. Sie waren schmutzig, denn Arnold trug seit der Begegnung mit Alexej keine Sandalen mehr. Heike sagte nun sehr laut: Aha, der Baron schämt sich. Offenbar ist er, seitdem Max nicht mehr da ist, in den Garten gezogen, und jetzt schläft er dort, weil es viel näher als seine Hütte ist. Der Baron: Nein, nein nein. Nur gestern habe ich dort übernachtet. Ich war ein wenig betrunken. Man muß aufpassen da im Garten, wegen der Nachbarin, dieser Schmidt, die ist ein Zerberus, ich habe neulich versucht, mit ihr Schnaps zu trinken, hehe, sie hat mich aber vom Grundstück gejagt.
    Moment, rief Heike, denn ein Passant kam heran. Sie wandte sich an den Passanten und fragte ihn, ob er einen Euro habe. Der Passant beachtete sie nicht und lief weiter. Der Baron: Ich sage euch, die Schmidt hat nichts mitbekommen. Das Haus ist zu weit weg von ihrem Gartenzaun. Sie begreift gar nicht, wer da alles ein und aus geht.
    Wieder kam ein Passant, ein Mann Mitte Dreißig. Heike stellte sich etwas lasziver hin als eben noch, bekam zwei Euro, und Arnold ging an einem Kiosk auf der gegenüberliegenden Straßenseite Bier kaufen. Dann setzten sie sich zu dem alten Mann auf die Treppe, tranken und schwiegen. Der alte Baron wurde melancholisch und meinte nach einer Weile, er habe Max gemocht, er sei ein feiner Mensch gewesen, und daß es idiotisch sei, wie er habe sterben müssen. So blöd! Ein Unfall! Jetzt heiße es, daß er das mit den Frauen nicht unter Kontrolle hatte und daß das vielleicht der Kern des Verderbens gewesen sei.
    Heike und Arnold sahen sich überrascht an. Beide runzelten die Stirn.
    Heike, an den Alten gewandt: Wie meinst du das? Er: Wie ich das meine? Ich meine gar nichts. Das wird hier in Potsdam so gesagt. Über euch hat man ja auch Dinge gehört. Heike: Was hat man gehört? Er: Dinge hat man gehört. Heike: Kannst du das näher ausführen? Er: Dinge eben. Was so gesagt wird. Hornung war ihnen zu sauber. Dahinter haben sie einen ganzen Haufen

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