Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sandkönige - Geschichten

Sandkönige - Geschichten

Titel: Sandkönige - Geschichten
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
legte sie wieder hin und berührte die Kaltfackel, die kaum wahrnehmbar aufleuchtete. Dann nickte er und verzog das Gesicht zu einem plötzlichen Grinsen. »Gute Ware. Cedranisch. Die dicken Würmer wollen so was. Ja. Ja. Also gut. Handel. Marken?«
    Holt nickte.
    Der Dan'la griff in seine Kitteltasche und warf eine Handvoll Lebensmittelmarken auf die Theke. Die verschiedenfarbigen, runden Plastikscheiben galten auf der Durchgangswelt als Zahlungsmittel. Die Dan'lai tauschten Essen dafür ein, das sie mit ihrer Raumflotte herbeischafften.
    Holt zählte die Marken, sammelte sie ein und warf sie in den Beutel, den er aus der Kugelhütte der Cedraner entwendet hatte. »Ich habe noch etwas«, sagte er und langte nach den Zaubertafeln in der Tasche.
    Die Tasche war leer. Der Dan'la grinste und fletschte die Zähne. »Verschwunden? Wohl nicht der einzige Dieb auf Leer. Nein. Nicht der einzige Dieb.«
    Er dachte an sein erstes Schiff; er dachte an die Sterne seiner Jugend auf Ymir; er dachte an die Welten, die er seitdem besucht hatte, an all die Schiffe, auf denen er gedient hatte, und die Menschen (und Nicht-Menschen), mit denen er auf diesen Schiffen zusammengekommen war. Aber am deutlichsten erinnerte er sich an sein erstes Schiff: Lachender Schatten (ein alter, geschichtsträchtiger Name; doch die Geschichte, die daran geknüpft war, wurde ihm erst viel später erzählt). Das Schiff war von Celias Welt nach Finnegan aufgebrochen. Das zu einem Erzfrachter umgerüstete Schiff glich einer großen, blaugrauen Träne aus korrodierter Hartmetallegierung und war mindestens ein Jahrhundert älter als Holt. Die Frachträume machten den größten Teil des Schiffes aus, für die zwölfköpfige Besatzung blieb kaum Platz übrig. Gravitationsakkumulatoren gab es nicht (Holt hatte sich schnell an die Schwerelosigkeit gewöhnt). Das Landen und Starten erfolgte mittels atomarer Treibsätze, ein Standard-ÜL-Antrieb besorgte die interstellaren Sprünge. Holt war zur Arbeit im Antriebsraum abkommandiert worden, eine unfreundliche, schwach beleuchtete Kabine mit nackten Metallwänden und Computerkonsolen. Cain narKarmian zeigte Holt, wie er die Rechner zu bedienen hatte.
    Holt erinnerte sich deutlich an narKarmian, einen alten, sehr alten Mann, viel zu alt für die Arbeit auf einem Schiff, wie er fand. Die Haut narKarmians glich weichem, gelbem Leder, faltig und zerfurcht. Er hatte mandelförmige, braune Augen, einen fleckigen, kahlen Kopf und einen schütteren, blonden Spitzbart. Manchmal machte Cain einen senilen Eindruck, aber meist war er klarsichtig und aufmerksam. Er kannte die Antriebsaggregate, er kannte die Sterne und redete unablässig während der Arbeit.
    »Zweihundert Standardjahre!« sagte er einmal, als beide vor den Konsolen saßen. Er lächelte verlegen, und Holt sah, daß Cain immer noch Zähne hatte, selbst in seinem Alter. »So lange reise ich schon auf Schiffen durchs All, Holt. Tatsache! Weißt du, normalerweise verlassen Menschen nie die Welt, auf der sie geboren wurden. Nie. Zu fünfundneunzig Prozent jedenfalls. Sie werden geboren, wachsen auf und sterben, und das auf derselben Welt. Und diejenigen, die an Bord gehen — nun, die meisten davon reisen nur ein bißchen. Eine
    Welt, zwei oder zehn. Bei mir ist das anders. Weißt du, wo ich geboren wurde, Holt? Rate mal!«
    Holt zuckte mit den Schultern. »Auf der Erde?«
    Cain lachte. »Erde? Ach was. Die Erde liegt doch nur drei oder vier Jahre von hier entfernt. Vier, glaube ich. Weiß nicht genau. Nein, nein. Allerdings habe ich die Erde schon gesehen, die Heimatwelt der Menschen. Vor fünfzig Jahren. Damals war ich mit der Corey Dark unterwegs, glaube ich. Ich fand, daß es mal an der Zeit war. Nach hundertfünfzig Jahren Schiffahrt hatte ich immer noch nicht die Erde gesehen. Aber schließlich bin ich doch dagewesen.«
»Du bist nicht auf der Erde geboren worden?« fragte Holt.
    Der alte Cain schüttelte den Kopf und lachte wieder. »Natürlich nicht. Ich bin ein Emereli. Von ai-Emerel. Weißt du, wo das ist, Holt?«
    Holt mußte nachdenken. Das war keiner der Weltnamen, die er auswendig gelernt hatte, keiner der Sterne, die nachts auf Ymir zu sehen gewesen waren. Aber irgendwie klang ihm der Name vertraut. »In der Randzone?« riet er schließlich. Die Randzone war die äußerste Grenze des von Menschen besiedelten Raums, der kleine Sternhaufen am Scheitelpunkt der galaktischen Linse. Ymir und die Sterne, die Holt kannte, lagen weiter im Inneren, in der Nähe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher