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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus
Autoren: Simon Toyne
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Vatikan?«
    Widerwillig wurden ein paar Hände gehoben.
    »Einige von Ihnen, wie ich sehe, und ohne Zweifel haben Sie dort die Sixtinische Kapelle bestaunt, den Petersdom erkundet, die Papstgräber besichtigt oder sogar einer Audienz beim Heiligen Vater beigewohnt. Unglücklicherweise heißt es zwar, die Zitadelle hier berge ähnliche Wunder, doch die werden Sie nicht zu sehen bekommen, denn nur den Mönchen und Priestern, die hier leben, ist es gestattet, diesen geheimnisvollsten und heiligsten aller Orte zu betreten. Diese Regel ist so streng, dass die Bastionen und Wehrgänge, die Sie sehen, nicht von Steinmetzen oder Baumeistern aus dem Fels gehauen worden sind, sondern von den Bewohnern des heiligen Bergs selbst. Das hat dem Ort nicht nur sein ungewöhnliches, verfallen wirkendes Aussehen verliehen, sondern der Stadt auch ihren Namen gegeben: Trahpah. Das ist Aramäisch und bedeutet so viel wie ›verfallen‹, weshalb man häufig auch von der ›Ruinenstadt‹ spricht.
    In Wahrheit handelt es sich jedoch keineswegs um eine Ruine. Die Zitadelle ist die älteste Festung der Welt und die einzige, die nie erobert worden ist, obwohl die berühmtesten und berüchtigsten Feldherren aller Zeiten sich daran versucht haben. Und warum haben sie sich daran versucht? Wegen der legendären Reliquie, die der Berg angeblich beherbergt: das heilige Geheimnis von Trahpah – das Sakrament.« Er ließ das Wort kurz in der eisigen Luft hängen. »Es ist das älteste und größte Mysterium der Welt«, fuhr der Reiseleiter in verschwörerischem Flüstern fort. »Manch einer glaubt, es sei das Wahre Kreuz Christi. Andere wiederum sprechen vom Heiligen Gral, aus dem Christus getrunken hat und der alle Krankheiten heilen und ewiges Leben verleihen kann. Viele glauben auch, dass Christus selbst dort ruhe, auf wundersame Weise konserviert, irgendwo in den Tiefen des Bergs. Es gibt aber auch jene, die das alles nur für eine Legende ohne jegliche Substanz halten. Die Wahrheit, meine Damen und Herren, ist jedoch schlicht, dass niemand es wirklich weiß, und da Geheimhaltung das Fundament der Zitadellenlegende ist, wird sich daran auch nichts ändern, denke ich.
    So ... Falls jetzt jemand Fragen hat«, sagte der Reiseführer, »dann tun Sie sich keinen Zwang an.« Dabei verriet sein Tonfall jedoch, dass es ihm lieber gewesen wäre, die Touristen blieben stumm.
    Die kleinen Augen des Mannes huschten über die leeren Gesichter der Touristen, die zu dem riesigen Gebäude hinaufstarrten und sich Fragen überlegten. Normalerweise fiel jedoch niemandem etwas ein, und das verschaffte ihnen volle zwanzig Minuten umherzuwandern, ein paar Souvenirs zu kaufen und schlechte Fotos zu machen, bevor sie sich wieder am Bus trafen, um eine andere Gegend unsicher zu machen. Der Reiseführer hatte gerade Luft geholt, um die Touristen über diese Tatsache zu informieren, als eine Hand hochgerissen wurde und nach oben deutete.
    »Was ist das für ein Ding da?«, fragte ein rotgesichtiger Mann Mitte fünfzig mit nordbritischem Akzent. »Das Ding, das wie ein Kreuz aussieht?«
    »Nun, wie ich Ihnen bereits erklärt habe, hat die Zitadelle keinerlei Kreuze auf ...«
    Er verstummte und kniff die Augen zusammen, um gegen die Sonne besser sehen zu können.
    Dort oben, auf dem berühmten, schmucklosen Gipfel der antiken Festung, war eindeutig ein winziges Kreuz zu sehen.
    »Ich ... äh ... Ich bin nicht ganz sicher, was das ist ...«, stotterte er.
    Aber ihm hörte ohnehin niemand mehr zu. Alle versuchten, einen besseren Blick auf das zu erhaschen, was auch immer dort auf dem Gipfel hockte.
    Und was auch immer es sein mochte, es wankte leicht und ähnelte einem ›T‹. War das ein Vogel oder einfach nur eine optische Täuschung?
    »Das ist ein Mann!«, rief jemand aus einer anderen Touristengruppe in der Nähe. Der Reiseführer drehte sich zu dem Rufer um. Ein Mann mittleren Alters, dem Akzent nach zu urteilen Holländer, starrte wie gebannt auf das LCD-Display seiner Videokamera.
    »Schauen Sie!« Der Mann lehnte sich zurück, damit andere seine Entdeckung auch sehen konnten.
    Über die Köpfe der Touristen hinweg warf auch der Reiseführer einen Blick auf den Schirm. Die Kamera war so nahe herangezoomt wie irgend möglich und zeigte das körnige, digital aufgewertete Bild eines Mannes in etwas, das eine grüne Mönchskutte zu sein schien. Sein langes, dunkelblondes Haar wehte um sein bärtiges Gesicht, doch er stand vollkommen still am Rand des Gipfels, die Arme
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