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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum
Autoren: Markus Heitz
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ausgewachsener, wütender Eisbär anzurichten vermochte, wusste Eric: Er würde der Frau den Kopf von den Schultern schlagen. Aber … etwas an der Raserei des Bären war merkwürdig. Eric konnte es nicht genau einordnen, doch für einen Moment schien es ihm so, als würde das Tier nicht seine Wut und Verunsicherung herausbrüllen, sondern versuchen, seine selbsternannte Befreierin vom Wagen zu vertreiben.
    Die Frau ließ sich nicht beirren, hob den Bolzenschneider und durchtrennte die Bügel des Schlosses. Alles, was den Eisbär nun noch am Ausbruch hinderte, war ein Metallstift, nach dem sie gerade ihre Finger streckte.
    Endlich erreichte Eric sie. »Nein«, rief er und hielt ihre Schulter fest. Sie schlug mit dem Bolzenschneider nach ihm, er tauchte unter dem schweren Werkzeug ab und versetzte ihr einen harten Schlag gegen das Kinn. Sie verdrehte die Augen und fiel vor ihm auf den Boden.
    Ein Mann kam dazugesprungen. Er hielt einen Hammer und schlug damit nach Eric. Seine Kämpferinstinkte ließen ihn sich ducken und bewahrten ihn vor Schaden – aber der schwere Hammer krachte gegen den Bolzen und zerschlug ihn; hell klirrend fielen die Trümmerstücke auf den Boden.
    Der Mann schaute nach der Kamera und rief auf Englisch: »Freiheit für die gefangenen Kreaturen!« Dann zückte er eine Taserwaffe, die elektrisch geladene Pfeile verschoss. Offensichtlich wollte er dem Freiheitsdrang des Eisbären nachhelfen.
    »Du beschissener Idiot!« Eric versetzte ihm einen Tritt gegen den Oberkörper. Der Mann krachte gegen die Aufbauten des Lkw und rutschte benommen daran zu Boden. Dennoch feuerte er den Taser ab, die erste Nadel prallte gegen einen Gitterstab, die zweite traf das Tier und jagte ihm einen kurzen Stromstoß durch den Leib, bevor Eric den Mann mit einem harten Schlag richtig außer Gefecht gesetzt hatte.
    Der wütende Eisbär tobte fürchterlich und sprang. Die Tür gab auf der Stelle nach. Der Bär landete schwer auf dem rissigen Asphalt und richtete sich sofort vor Eric auf die Hinterbeine auf. »Ich war es nicht«, sagte Eric mit einem gequälten Grinsen und zog seine Pistole. Er wusste, dass es schwierig sein würde, den Angreifer mit der verhältnismäßig kleinkalibrigen Waffe aufzuhalten. Doch das Wegrennen konnte er sich ebenso sparen, ein Eisbär holte einen Menschen spielend ein.
    Das gereizte Tier war mindestens drei Meter groß. Mit entblößten Zähnen und nach hinten geklappten Ohren kam auf es auf Eric zu, brüllte und schlug mit den Tatzen in die Luft.
    »Friss die da.« Eric zeigte auf das Filmteam, machte zwei Schritte rückwärts und legte an. Er zielte auf den geöffneten Rachen.
    »Bitte, helfen Sie uns«, stammelte der Mann mit der Kamera und ging mit zitternden Beinen vorsichtig auf ihn zu, um sich hinter Erics Rücken zu stellen. Seine Tonassistentin folgte ihm, kreidebleich und mit flehendem Blick.
    Auch neben ihnen erklang plötzlich ein Knurren. Aus den Augenwinkeln bemerkte Eric einen Löwen, der aus seiner Box entkommen war. Im gleichen Moment sprang ein schwarzer Panter auf das Dach des Lkw und starrte Eric aus seinen gelben Augen an. Die Raubtiere kreisten ihn und das Kamerateam der Tierschützer ein.
    Erics Kehle trocknete innerhalb von zwei Sekunden aus, sein Magen schrumpfte zusammen, während er überlegte, wie er am besten entkam. Wenn er es an dem Eisbär vorbei bis in den leeren Käfig schaffte … Aber er musste auch an die Tierschützer denken, die neben ihm standen oder bewusstlos am Boden lagen. Es gab nur eine Möglichkeit – er musste schneller schießen, als er es jemals zuvor getan hatte. Konzentrier dich, befahl Eric sich selbst. Er entsicherte die Waffe.
    »Nein!« Plötzlich stand Isis neben ihm. Sie hielt große, rohe Rippenstücke in der einen Hand, drückte seine Waffe mit der anderen nach unten und schrie gleichzeitig den Eisbären an. Sie ging dabei auf ihn zu und schwenkte die blutigen Rippen.
    Eric hielt sie für vollständig wahnsinnig. Einen besseren Weg, um ein wildes Tier zu einem Angriff zu provozieren, gab es kaum … einmal davon abgesehen, es mit einer Neun-Millimeter anzuschießen.
    Der Eisbär sog die Witterung des Fleisches auf, neigte sich nach vorn und brüllte. Isis schrie tapfer zurück und warf eine Portion der Rippchen über ihn hinweg in seine Box.
    Die Tonfrau wimmerte, der Kameramann beruhigte sie mit leisen Worten; Eric selbst vergaß für einen Moment zu atmen.
    Das Raubtier brüllte noch einmal –
    – ließ sich auf alle viere
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