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Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen

Titel: Samuel und die Liebe zu den kleinen Dingen
Autoren: Francesc Miralles
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Gesprächen.
    Der Redakteur hörte meinen Bericht an, ohne allzu viel Interesse zu signalisieren. Er nickte nur ab und zu, als sei ihm vieles schon bekannt. Als ich jedoch auf unser Zechgelage, den leeren Rucksack und den Traum zu sprechen kam, aus dem er mich mit seinem Klingeln herausgerissen hatte, horchte er auf.
    »Du meinst, in dem Traum ist Valdemar mit dem Manuskript in der Hand der Katze gefolgt?«
    »So ist es«, antwortete ich und schaute zu Mishima hinüber, die sich genüsslich auf dem Teppich hin und her rollte. »Seltsam, oder?«
    Der Alte lachte und sagte: »Das einzig Seltsame daran ist deine lange Leitung. Die Katze hat dir im Traum bedeutet, wo Valdemars Manuskript versteckt ist. Solange er verschwunden ist, ist das das Einzige, was von ihm und seinen Forschungen bleibt. Darum ist es unsere Pflicht, es zu suchen und darauf aufzupassen.«
    »Versteckt«, wiederholte ich. »Das ist das Schlüsselwort. Jedes Mal, wenn die Tierärztin kam, um Mishima zu impfen, hat sie sich irgendwo versteckt, wo ich sie nie gefunden habe.«
    »Wo Platz für eine Katze ist ...«, begann Titus.
    »... ist auch Platz für ein Manuskript«, vollendete ich. »Das Problem ist, dass ich nie herausgefunden habe, wo dieses Versteck ist.«
    »Soll Mishima uns doch selber hinführen«, schlug er vor. »Du rufst die Tierärztin an, und ich folge der Katze.«
    Die Idee war so einfach und so genial, fast zu gut, um zu überzeugen. Doch ich tat, wie mir geheißen, griff nach dem Telefon und wählte die Nummer der Tierarztpraxis. Nach einigen Sekunden erklang am anderen Ende der Leitung die Stimme von Meritxell.
    »Guten Tag. Ich habe eine Katze namens Mishima, die müsste geimpft werden«, sagte ich und betonte die Worte »Mishima« und »geimpft« besonders stark. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie Mishima sich reckte und sich klammheimlich in Richtung Flur verzog, während Titus ihr mit etwas Abstand folgte.
    »Willst du dich über mich lustig machen?«, sagte Meritxell leicht verwirrt. »Oder warst du zu lange mit deinem Nachbarn zusammen?«
    »Ich erkläre es dir später«, flüsterte ich und legte schnell den Hörer auf, um mich Titus’ Verfolgungskommando anzuschließen. Der Alte war neben einem Einbauschrank stehen geblieben, in dem ich alte Kleidung aufbewahrte. Er legte den Finger an die Lippen, um mir zu bedeuten, dass ich keinen Lärm machen sollte.
    »Sie ist da drinnen«, flüsterte er.
    Wir schauten uns an, als warte jeder auf ein Kommando des anderen. Schließlich öffnete ich die Schranktür, um das große Geheimnis zu lüften.
    Auf den ersten Blick hingen da nur zwei alte Anzüge und darüber war ein Regal mit einem eingestaubten Schuhkarton. Ich hob den Karton hoch, die Katze schien nicht darin zu sein. Zu meiner Überraschung kam jedoch dahinter ein Loch in der Wand zum Vorschein.
    Und da saß sie: Mishima machte große Augen, offen bar erstaunt darüber, dass wir ihr Versteck aufgespürt hatten. Jetzt würde sie sich ein anderes suchen müssen.
    Ich wollte sie packen, doch mit einem flinken Satz war sie mir entwischt und flitzte den Flur entlang. Tatsächlich, da lag das Manuskript. Der Schuhkarton hatte Mishima verdeckt und die wiederum Valdemars Werk.
    Ich überreichte es Titus, der es entgegennahm wie einen kostbaren Schatz. Gerührt sagte er: »Da Valdemar in meiner Wohnung gehaust hat, erlaube mir, das Manuskript zu verwahren. Wer weiß, ob ich das Teleskop benötige, um das eine oder andere nachzuvollziehen. Ja, wer weiß.«
    »Aber gern.«
    »Ich lade dich für heute Abend zu mir ein, dann können wir es zusammen studieren, wenn du Lust hast. Vielleicht führt es uns auf die Spur seines Verfassers. Es gibt vieles, was du noch nicht über ihn weißt.«

DIE ROSE DES DICHTERS
    In der Hoffnung, eine späte Siesta würde mir helfen, die Erlebnisse zu verdauen, legte ich mich, sobald Titus gegangen war, aufs Ohr.
    Es war sechs Uhr abends, und im Schlafzimmer war es schon dunkel. Mishima war gekränkt, weil wir ihr Geheimnis gelüftet hatten, und begleitete mich diesmal nicht ins Bett. Als ich die Beine ausstreckte, rief mir mein Muskelkater schmerzhaft den langen Marsch vom Vortag in Erinnerung. Doch mitunter findet man ja, wenn man sehr müde ist, partout keinen Schlaf, und so ging es mir auch jetzt. Eine lange Stunde lag ich in jenem Dämmerzustand zwischen Wachen und Schlafen, in dem man den Körper hinter sich lässt und die Gedanken umherschweifen, ohne dass man an etwas Konkretes denkt.
    Die
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