Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Samuel Koch - Zwei Leben

Samuel Koch - Zwei Leben

Titel: Samuel Koch - Zwei Leben
Autoren: Christoph Fasel
Vom Netzwerk:
ein Mensch, der sie trägt, aber beherrschen. Das kann nur einer, der seinen Körper bis in den letzten Muskel kennt. Eine Eigenschaft, die ein Turner hat. Ich bin so einer.
    Mit diesen Geräten an den Füßen will ich heute Abend vor den Augen von Millionen Zuschauern eine Wette gewinnen, wie sie in 30 Jahren „Wetten, dass..?“ noch nie auf die Bühne gebracht wurde: In vier Minuten mithilfe der Stelzen fünf unterschiedliche Autos mit einem Salto überspringen – angefangen vom Smart bis zum Geländewagen. Und nicht einfach Autos, die in der Gegend herumstehen, sondern Autos, die auf mich zufahren.
    Es wird der Abend, der mein Leben radikal verändert. Aber ganz anders, als ich das am Tag zuvor noch dachte.
Es geht los
    Die Veranstaltung startet, wie immer bei einer Live-Sendung, schon vor der Ausstrahlung, die erst um 20:15 Uhr beginnt, mit einer Aufwärmrunde im Saal. Thomas Gottschalk heißt die Besucher in der Messehalle willkommen, plaudert mit Gästen, begrüßt die Prominenten mit Handschlag und stimmt die Menschen im Saal auf die Wetten des heutigen Abends ein. Auch auf die Wette Nummer 881. Das ist meine. Die Stimmung steigt. Die Erwartung dessen, was kommt, auch.
    Es ist kurz nach halb acht. Während Thomas Gottschalk draußen vor der Bühne als Aufwärmer die „Rampensau“ gibt, gehe ich mit meinem Team hinter den Kulissen zum letzten Mal den Ablauf unserer Wette durch. Denn das, was wir hier tun werden, ist das Ergebnis von fünf Monaten peinlich genauer Vorbereitung. Von endlosem Training. Von über 500 solcher Sprünge, die ich vorab zur Probe absolviert habe. Von raffiniertem Timing und minutiöser Planung. Jeder Schritt, jedes Kommando, jedes Tempo muss auf den Bruchteil einer Sekunde klappen.
    Die Rechnung lautet ganz einfach: Unsere Aktionsfläche ist 62 Meter lang. Ich renne mit meinen Beinverlängerungen auf ein fahrendes Auto zu und überspringe dieses mit einem Salto. Dabei erreiche ich in der Luft eine Geschwindigkeit von mindestens 25 Stundenkilometern. Das Auto ist mit 22 Kilometern in der Stunde unterwegs. Sollten wir zusammenprallen, würde das mit einer Geschwindigkeit von 47 Stundenkilometern geschehen. Keine gute Idee. Denn das hält kein Knochen aus. Wer keinen Respekt vor solchen Kräften hat, sollte die Finger davon lassen. Ich habe Respekt.
    Und ich habe diesen Sprung so oft gemacht, dass ich ihn fast im Schlaf beherrsche: Die Phasen laufen automatisch in meinem Kopf ab: Konzentrieren, Stoßgebet, Zeichen geben, Gewicht auf rechten Fuß verlagern, warten, bis das Auto die Markierung überfahren hat, fünf Schritte, einspringen, abspringen, Salto, hinter dem Wagen aufkommen, abfedern, auslaufen. Freuen.
    So einfach, wie sich das hier anhört, ist unsere Wette allerdings nicht. Nur ein Beispiel: Vier Freunde und mein Vater bilden das Team der Fahrer. Sie haben für meine Begriffe einen schweren Job – sie müssen nämlich auf einen Menschen zuhalten, der ihrem fahrenden Auto entgegenläuft. Gar nicht so einfach, da nicht zu bremsen. Aber der Bremsreflex ist das Allerletzte, was ich gebrauchen kann. Ich habe keine Lust, mit meinen Stelzen auf dem Dach eines Mini aufzusetzen oder auf dem Kofferraumdeckel eines Audi zu landen statt auf dem Boden dahinter.
    Allein diese Unwägbarkeit haben wir in Dutzenden von Trainingsgängen nach und nach ausgeschaltet. Mittlerweile sind uns die Abläufe der Wette dermaßen in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich mir zwischendurch Gedanken darüber mache, ob unsere Vorführung überhaupt noch jemanden vom Hocker reißt.
    Das führte im Laufe der Trainingsmonate sogar zu der Überlegung: „Wie wäre es, wenn wir die ganze Nummer noch einen Zacken spannender machen, indem ich mit verbundenen Augen springe?“ Klingt erst einmal richtig verrückt – aber es geht. Denn die Abläufe basieren ja vor allem auf dem richtigen Timing, also dem Abzählen und dem exakt passenden Absprung.
    Doch als wir die Möglichkeit diskutierten, die Wette mit verbundenen Augen durchzuführen, kamen das ZDF-Team und wir zu der Erkenntnis: Der Sprung allein sollte ausreichen. Da braucht man nicht noch extra einen draufzusetzen. Das kam auch meinen eigenen Empfindungen entgegen.
Die Spannung steigt
    Mittlerweile ist es 19:56 Uhr. Ich hüpfe, springe, mache ein paar kleine Saltos und Dehnübungen, um meine Muskulatur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher