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Samuel Koch - Zwei Leben

Samuel Koch - Zwei Leben

Titel: Samuel Koch - Zwei Leben
Autoren: Christoph Fasel
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aufeinander aufpassen, sich gegenseitig helfen. Immer doch noch eine Lösung finden, auch wenn man im Augenblick überfordert zu sein scheint.
    Ein Vorbild bin ich für meine jüngeren Geschwister sicher nur bedingt gewesen, aber ich habe mich bemüht, eins zu sein. Sie waren oft ein bisschen genervt davon, wenn man sie nur als „Schwester/Bruder von Samuel“ wahrgenommen hat. Das hatte aber auch Vorteile.
    Elisabeth erinnert sich gern daran, dass ich eine Art Schutzengel für meine kleineren Geschwister war: „Vor Samuel hatte jeder Respekt, weil er als Turner körperlich was darstellte. Und jeder wusste, dass er unser großer Bruder ist. Das hat schon in manchen Situationen sehr geholfen. Zum Beispiel, als einmal drei Jungs sich auf dem Schulhof auf Jonathan gestürzt haben und ihn völlig unfair angegriffen haben. Als Samuel davon hörte, ist er sofort hingeeilt und hat sich die drei zur Brust genommen. Nein, verprügelt hat er sie nicht. So was war nicht Samuels Art. Aber er hat den Jungs unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie es das nächste Mal bei ihm versuchen sollen und nicht bei seinem kleinen Bruder. Seit dem Tag hat Jonathan seine Ruhe gehabt!“
Kindheit in Bewegung
    Aufgewachsen sind wir in Wintersweiler, einem Dörfchen im äußersten Südwesten Deutschlands, gelegen im Dreiländereck Deutschland-Schweiz-Frankreich. Meine Eltern waren bald nach meiner Geburt dorthin gezogen, weil mein Vater einen Job in Basel bekommen hatte.
    Kaum angekommen, suchte die örtliche Kirchengemeinde jemanden, der sich in der Gestaltung des Kindergottesdienstes engagiert. Meine Eltern erklärten sich gern dazu bereit.
    Mein Papa, ehemaliger Heeresamtsmeister, spielte weiter Volleyball. Er hat schon im Alter von 11 Jahren damit angefangen. Noch heute fragen mich Freunde: „Wie kommt es eigentlich, dass dein Vater so durchtrainiert aussieht?“ Mein Vater war auch derjenige, der zuerst mir, später auch meinen Geschwistern früh die Freude an der Bewegung vermittelt hat.
    Ich kann mich an viele gemeinsame Spiele erinnern – Ballspielen, Werfen aller möglichen Gegenstände und Fangen derselben, Turnen, Ballspielen, auf Papas Schultern herumhüpfen, Ballspielen, Schwimmen, Fahrradfahren und Ballspielen. Es musste immer mindestens ein Ball im Auto dabei sein. Unter anderem beim Essen durften wir immer darauf gefasst sein, dass Papa unser Reaktionsvermögen testete, indem er unvermittelt „Hepp!“ rief und uns irgendwelche Gegenstände zuwarf.
    Bei uns stand die Welt zu keiner Zeit Fuß. Wir waren eine Familie in Bewegung. „Wer nicht hüpfen und rennen kann, dem kann man auch nicht Rechnen beibringen“, meinte mein Papa.
    Besonders beliebt war das Schlafzimmer als Spielplatz. Dort gab es das Familien-Bett. Das war aber kein normales Bett, sondern eins in Größe XXL, fast dreieinhalb Meter breit. Mein Papa hatte es selbst entworfen und gebaut. Denn wann immer eines der Kinder zu den Eltern wollte, sollte das möglich sein, ohne dass sich Mama und Papa den Rücken verbiegen mussten. In diesem Riesenbett wurde also gespielt, gelesen, gegessen, gerauft, gekuschelt, gelebt und später auch ferngeschaut, und wenn eins von uns Kindern dabei einschlief, blieb es einfach gleich liegen – es war ja Platz genug für alle. Auch in der Nacht konnte meine Mama einfach weiterschlafen, wenn Stillzeit war. Ein richtiges Kommunikations- und Begegnungszentrum für die ganze Familie und unsere Freunde.
    Jeden Tag freute ich mich auf den Abend. Denn dann las mein Papa mir Sprechblasenliteratur vor – Lucky Luke, Asterix oder auch biblische Comics. Dann gab es noch einen Joghurt und danach durfte ich auf seinem Rücken ins Bett reiten wie ein Cowboy in den Sonnenuntergang.
    Das Familienbett diente uns auch als Catch-Matte und als Austragungsort für Ringkämpfe. Meine Freunde und ich haben am liebsten darauf gerauft, denn es konnte ja nicht viel passieren – anders als auf hartem Boden. Am liebsten habe ich aber mit meinem Papa gerungen. Dabei konnte schon mal ein Ellenbogen im Auge oder eine Faust auf der Nase landen. Papa sagte: „Das passiert.“
    Vielleicht ist es ein weiteres Möbelstück aus diesem Raum, das mich in besonderem Maß zu meiner Turnerkarriere inspiriert hat. Quer im Schlafzimmer meiner Eltern standen die Kleiderschränke. Die waren, ich erinnere mich genau, von
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