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Samuel Koch - Zwei Leben

Samuel Koch - Zwei Leben

Titel: Samuel Koch - Zwei Leben
Autoren: Christoph Fasel
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abschließend mit mehr Distanz darüber reflektieren kann.
    Soviel kann ich an dieser Stelle wohl schon vorwegnehmen: Dazu ist es noch nicht gekommen. Trotzdem halten Sie gerade mein Buch in der Hand.
    Wie konnte das passieren? Im 7. oder 8. Schuljahr dachte ich mal, ich werde Schriftsteller, bin dann aber nicht mal mit meinen Deutschaufsätzen fertiggeworden, weil ich alles stets 17-mal umformulierte.
    Doch Ralf Markmeier, der Verlagsleiter von adeo, hat meine Bedenken zerstreut und mich motiviert, meine Geschichte zu Papier zu bringen, und heute bin ich sehr dankbar dafür. Denn schon vor der Buchanfrage war mein Nachttisch teilweise übersät mit Post-its und Notizzetteln, die ich meinem Papa diktiert hatte, um mein Kopfkino loszuwerden. Ralf bot mir die einmalige Möglichkeit, ein Projekt zu realisieren, das ich allein niemals hätte bewältigen können, indem er mir die richtigen Menschen an die Seite gestellt hat: Christoph Fasel, mittlerweile ein guter Freund, der neben all den Recherchen meine Schreibhand ersetzte und als lebender Notizzettel die zahlreichen Gedanken und Erzählungen strukturierte und aufschrieb. Und Karoline Kuhn, die weit über die Aufgaben einer Lektorin hinaus in geduldiger, nächtelanger Kleinarbeit half, meinem Geist Ausdruck zu verleihen.
    Ich schätze das heute als großes Geschenk. Ebenso wie die professionelle Unterstützung in allen anderen Belangen. Wenn ich alles selbst in die Hand hätte nehmen müssen, wäre das Buch mit einem Titel wie „Mein K(r)ampf“ oder „Wer liest, lebt nicht!“ versehen und hätte wahrscheinlich einen rosa Umschlag, auf dem statt einem Gesicht höchstens ein Fuß von mir zu sehen ist.
    Ich war überrascht, wie gut mir die Arbeit an dieser Mischung aus Rückblick, Bestandsaufnahme und Zukunftsmusik tat. Das Schreiben oder besser Diktieren bot mir eine intensive Möglichkeit, um die Ereignisse des letzten Jahres noch mal bewusst Revue passieren zu lassen, einzuordnen und aufzuarbeiten.
    Beim Schreiben dieses Buches haben wir überraschend viel gelacht, trotz oder wegen der vielen Arbeit. Ich habe mich an schöne und lustige Momente erinnert, aber auch vieles betrauert; ich habe von vielem Abschied genommen und bin zwischendurch ziemlich wütend geworden, was ich von mir absolut nicht kenne. Eigentlich steckte das ganze Spektrum menschlicher Gefühle darin. Auch war es für mich eine Art Therapeutikum, alles, was passiert war und was es mit mir gemacht hat, vor Christoph und Karo auszubreiten, um die richtigen Formulierungen zu ringen und auch Licht ins Dunkel mancher ungeklärter Fragen zu bringen. Das betrachte ich als großes Privileg.
    Und noch ein Aspekt ist mir wichtig: Im Laufe des letzten Jahres habe ich buchstäblich unzählige Zuschriften von Menschen erhalten, die mir ihr Mitgefühl ausdrückten, ihre Hilfe anboten, mir Mut machten und wissen wollten, wie es mir geht. Es wird mir leider unmöglich sein, auf alle diese schönen Gesten zu antworten. Mit diesem Buch kann ich aber denen, die es interessiert, wenigstens ein wenig davon mitteilen, was genau passiert ist und wie es mir geht.
    Vielleicht gelingt es auch, durch die Schilderung meiner Erfahrungen ein bisschen Aufmerksamkeit für die „Unwegbarkeiten“ von Rollstuhlfahrern zu wecken. Also ist es sozusagen ein Buch geworden für Rollstuhlfahrer, für Nichtrollstuhlfahrer und für solche, die es werden wollen.
    Samuel Koch

1. Der Moment, der alles ändert
Samstag, 4. Dezember 2010
    Da stehe ich nun im gleißenden Scheinwerferlicht, eingerahmt von Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker. Über zehn Millionen Fernsehzuschauer können mich sehen, und hier in der Düsseldorfer Messehalle sind es 4.300 Augenpaare, die auf mich fixiert sind. Es ist die 191. „Wetten, dass..?“-Sendung.
    Michelle stützt mich, und um ruhig zu stehen, brauche ich diese Unterstützung heute Abend durchaus. Der Grund dafür: Ich bin unförmig ausgerüstet – 42 Zentimeter größer und 9,5 Kilo schwerer als sonst. Mein Bodenkontakt begrenzt sich auf zwei etwa ein-Euro-Münzen-große Flächen. An meinen Füßen trage ich zwei sogenannte „Poweriser“, eine Art Sprungstelzen. Das ist ein Sportgerät, das es mir ermöglicht, um ein Vielfaches höher und weiter zu springen als normal. Die Kräfte, die durch diese Beinverlängerungen entstehen, sollte
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