Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Samtheiß

Samtheiß

Titel: Samtheiß
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
kommen über meine Lippen wie eine fremde Sprache oder überhaupt nicht. Wenn er mich zufällig anschaut, kann ich kaum atmen. Manchmal starre ich so intensiv auf seinen Hinterkopf, daß ich glaube, wir müßten beide in Flammen aufgehen, zu flammenden Zungen werden wie der Heilige Geist.
    Ich will seine Hand nehmen und ihn in das hohe Gras hinter dem Schulhof führen. Ich will meine Bluse aufknöpfen und ihm meinen Busen zeigen. Ich will das Gewicht seines schlanken Körpers spüren, der mich zu Boden drückt. Ich kann mich nicht mehr auf die Schule oder meine Hausaufgaben konzentrieren. Überall schreibe ich seinen Namen hin: in meinen Ordner, meine Bücher, auf meine Schuhsohlen.
    Ich glaube, ich werde sterben, wenn ich ihn nicht berühren kann.
    Letzten Monat bin ich donnerstags früher nach Hause gekommen, damit ich am Fenster sein konnte, wenn Peter vorbeifuhr. Den Rest des Nachmittags habe ich mit Tagträumereien (wie Ma es nennt) in meinem Zimmer verbracht. Wenn sie mich zum Tischdecken herunterruft, bewege ich mich wie in Trance.
    Aber heute bin ich noch früher zu Hause. Ich habe weder ein Eis gegessen noch mit Jeanie und Sheryl die neueste Ausgabe von Seventeen angeschaut und ihnen gesagt, ich müßte im Haus helfen.
    Ich ziehe meine weißen Shorts und die apricotfarbene Bluse an. Ich knöpfe die ersten beiden Knöpfe auf, aber mein BH blitzt hervor, also ziehe ich ihn aus. Das ist wahrscheinlich eine Todsünde, aber wen stört’s, solange Ma es nicht merkt. Ich bürste meine Haare, kämme sie zu einem Pferdeschwanz und binde ein Seidenband darum. Ma bleibt der Mund offen stehen, als ich sage, daß ich im Vorgarten Unkraut jäten will.
    »In diesem Aufzug?« fragt sie. »Junges Fräulein, wenn du diese neuen Shorts schmutzig machst, kaufe ich dir keine neuen.« Sie sieht mich seltsam an. Ich mache einen runden Rücken und halte den Atem an.
    »Ich hoffe doch, daß du nicht Butch Willies zuliebe so angezogen bist.«
    Butch ist das Ekel von gegenüber. Er ist drei Jahre älter als ich und der Rabauke unseres Viertels. Am Samstag vormittag läßt er immer seine lange Büffelpeitsche auf der Straße knallen. Die jüngeren Kinder trauen sich dann nicht raus. Dauernd piesackt er meinen Bruder. Ich hasse ihn! Einmal, als er meinen Bruder zum Weinen gebracht hat, habe ich all seine Vögel, die er im Hinterhof hält, aus ihren Käfigen befreit.
    »Oh, Ma, wirklich«, sage ich. »Ich kann Butch Willies nicht ausstehen. Er ist zum Kotzen.«
    Sie sagt, ich soll nicht solche Wörter in den Mund nehmen.
    »Nun, ihm geht es offenbar mit dir ganz anders«, bemerkt sie. »Marge glaubt, daß er in dich verliebt ist. Er schreibt deinen Namen überall in seinem Zimmer an die Wand.«
    »Das ist ja widerlich, Ma. Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich nur an ihn denke.« Ich schüttele mich und verschwinde aus der Küche, bevor sie wieder von meinen weißen Shorts anfängt.
    Im Badezimmer schnappe ich mir ihren Lippenstift und male mir die Lippen an, bis sie aussehen wie meine Bluse. Wenn ich doch so hübsch wäre wie Ann, die zwei Stockwerke unter uns wohnt und Cheerleader ist! Sie ist zwar so alt wie ich, hat aber schon viel Busen und runde Hüften, letztes Jahr hat sie gesehen, wie ich geheult habe, als Ma mir meine langen Haare abschneiden ließ. Anns Haar fällt bis zur Taille.
    Es ist nach vier, also hole ich eine Kiste und setze mich mit der Hacke in den Vorgarten. Zehn Minuten später kommt Peter um die Ecke. Sofort fange ich an zu zittern und versuche so zu tun, als wäre er mir völlig gleichgültig. Suzi sagt, daß Jungs darauf stehen. Es zieht sie an wie die Fliegen, sagt sie.
    Mir ist schwindlig. Ich stehe auf, gehe zur Einfahrt und tue so, als würde ich Unkraut zupfen. Peter wirft eine Zeitung auf die Veranda der Nachbarn und dann... o mein Gott... hält er genau vor mir an.
    »Oh... hallo«, sage ich so lässig wie möglich. Er gibt mir unsere Zeitung und lächelt: ein zögerndes, etwas schiefes Lächeln, das mir tief in die Knochen dringt. Ich vergesse zu atmen, hoffentlich werde ich nicht ohnmächtig, wie Beatrice Moore jeden Sonntag in der Messe. Meine sorgfältig einstudierten Worte lösen sich in Luft auf, wie Antworten vor einer Klassenarbeit, und ich platze heraus... »Ich will dich.«
    Meine Hände fliegen an meinen Mund. Peter zwinkert. »Du willst mich... was fragen?« Seine Augen kleben auf meinem Gesicht.
    »Ich, ich... wollte dich fragen, ob du mir nicht bei Mathe helfen kannst«, sage ich und bete,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher