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Samtheiß

Samtheiß

Titel: Samtheiß
Autoren: Unknown
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Stunden zu arbeiten. Und deine Tür machst du auch zu.«
    Sie tat es. Er hörte, wie sie zuklappte. Aber er konnte nicht arbeiten. Er saß da und starrte die geschlossene Tür an, bis er die stickige Luft im Raum nicht länger ertragen konnte. Er öffnete sie. Beinah gleichzeitig öffnete sie ihre Tür. Als ob sie dahinter gewartet hätte. Sie sah blaß und erschöpft aus. »Oh!« sagte sie mit dieser fröhlichen Stimme. »Gehst du auch ins Bad?«
    Das nahm er ihr nicht ab. Ihr Kinn war rot und fleckig. Sie hatte sich Mitesser ausgedrückt - und nicht geschrieben. Das ganze wurde unerträglich. Er wußte, daß sie versuchte, während seiner Arbeitszeit fernzubleiben. Er wußte auch, daß sie litt. Er konnte es sehen. Nachts klammerte sie sich an ihn. Er begehrte sie nur noch in den Nächten, nachdem Angus in Aktion getreten war. Dann machte er es immer von hinten. Er stellte fest, daß er von vorne keine Erektion halten konnte. Er konnte sie nicht mehr ansehen.
    Eines Tages sagte sie, daß sie daran denke, fortzuziehen und daß er mitkommen solle. Sie wollte wieder in die Stadt - mit ihm oder ohne ihn. Er war erleichtert. Wieder in die Stadt zu ziehen war ihm in letzter Zeit auch durch den Kopf gegangen. Aber als sie sagte, sie würde auch ohne ihn gehen, begriff er, was er eigentlich wollte. Er antwortete, daß er in die Stadt zurück wolle, aber nicht mit ihr.
    Damit hatte sie nicht gerechnet; sie klammerte sich an ihn und weinte. Er streichelte ihr den Rücken und spürte die knochigen Schulterblätter. Sie roch nach muffigem Schweiß. Die Waschmaschine steht im Keller, dachte er. Ich frage mich, ob sie in letzter Zeit unten war, um Wäsche zu waschen. Er löste sich sanft von ihr, nachdem ihr Weinen nachgelassen hatte. Sie sprachen über ihre Pläne. Sie war einverstanden. Vermutlich sei es besser, sich zu trennen, zumindest für eine gewisse Zeit.
    Während der nächsten Tage fiel ihm auf, daß es Louise besser ging. Sie wuselte im Haus herum, putzte und packte, und er hörte sie sogar vor sich hin summen. Ihre Schreibmaschine stand im Köfferchen an der Haustür neben einem stetig wachsenden Berg von Umzugskisten. Wenn er sie ansprach, antwortete sie zerstreut »was« und schaute kaum auf von dem, was sie gerade tat. Er fühlte sich als Eindringling. Er zweifelte an seiner Entscheidung, ohne sie leben zu wollen. Sie sah viel besser aus. Am Donnerstag abend verkündete sie, daß alles gepackt sei. An jenem Abend kochte sie ein sehr gutes Essen. Rinderragout in Weinsoße. Rind...! Wie konnte ich das vergessen, dachte er.
    »Louise!« sagte er.
    Sie blickte auf. »Was ist?«
    »Was machen wir mit Angus?«

AMBER COVERDALE SUMRALL
    Der Zeitungsjunge

    J eden Donnerstag nachmittag warte ich am Fenster auf Peter, der an unserem Haus vorbeifährt. Einmal wöchentlich liefert er auf einem Fahrrad, das ihm schon seit zwei Jahren zu klein ist, den Lokalanzeiger aus. Peter ist Flüchtling aus Budapest; seine Familie floh aus Ungarn, als die Kommunisten die Macht übernahmen.
    Peter trägt einen Schnurrbart, so zart wie ein Schatten, und langes kastanienbraunes Haar, das ihm auf der einen Seite ins Gesicht fällt. Alle anderen Jungs in der neunten Klasse haben einen Bürstenschnitt. Peter wirft sein Haar zurück wie ein Pferd, das seine Mähne schüttelt.
    Ich will auf ihm reiten.
    Ich will, daß er auf mir reitet - so wie es mein Bruder manchmal tut. Ich liege auf dem Boden, und Patrick sitzt auf mir drauf und hüpft auf und ab. Wir tun so, als spielten wir Cowboy und Pferd.
    Ich will, daß Peter mich so reitet.
    Meine Freundinnen finden Peter unscheinbar. Unscheinbar und merkwürdig. Ich sage ihnen nicht, wie sehr ich mir wünsche, daß er mich berührt. Sie würden mich noch merkwürdiger finden als ihn. Peter spielt Geige und ist sehr gut in der Schule. Die Normen sagen, er sei ein Genie. Er hat keine Freunde und ist meist allein.
    Peter hat sechs Geschwister. Mit dem Zeitungsaustragen unterstützt er seine Familie. Sie wohnen in einem heruntergekommenen Haus mit zwei Schlafzimmern in der Nähe meiner Freundin Lynn. Ich fahre ständig mit dem Fahrrad zu ihr, weil ich hoffe, Peter zu sehen. Aber er ist nie draußen. Ich weiß, daß er für Nachbarkinder den Babysitter macht. Dies ist ein Grund, weshalb ihn alle merkwürdig finden. Besonders die Jungs: sie nennen ihn einen Waschlappen.
    Wenn er in meiner Nähe ist, reißt es mich in der Mitte durch. In der Schule bringe ich es nicht fertig, mit ihm zu sprechen; die Worte
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