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Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Titel: Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)
Autoren: Holly Goldberg Sloan
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wunderbaren Klang hatte.
    Aber so einfach war es nicht.
    Es fing schon mal damit an, dass ein Mann aus dem Nichts auftauchte, kaum dass Sam die Kirche betreten hatte, und das riesige Kirchenportal mit einem Geräusch zustieß, als schließe er den Eingang zu einer Gruft.
    Lautlos rutschte Sam in die hinterste Kirchenbank. Die Orgel hörte fast im gleichen Moment auf zu spielen und ein Pastor in Priestergewand und Krawatte trat auf. Er beugte sich über ein Mikrofon und fing an, salbungsvolle Worte zu sprechen. Sam hörte nie auf das, was diese Männer von sich gaben. Stattdessen betrachtete er den großen Kirchenraum.
    Ein Raum, der sauber war und leicht nach Blumen duftete, kam Sam geradezu exotisch vor. Aber irgendwie auch unheimlich.
    Das Holz, mit dem die Wände getäfelt waren, sah aus wie weiches Leder. Vorne hing ein großer Leuchter mit zahlreichen Kerzen von der Decke, die allerdings nicht echt waren. Wären sie echt, würden sie besser aussehen, dachte Sam. Allerdings konnte man sie dann nur von einer hohen Leiter aus anzünden. Und dann tropften sie vielleicht auf die Köpfe der Gläubigen, was sicherlich unangenehm war.
    Die langen Holzbänke waren nicht sehr bequem. Aber das waren sie nie. Wenn man wollte, dass die Leute aufmerksam zuhörten, musste man verhindern, dass sie es sich zu bequem machten. Hatte ihm das nicht sein Vater beigebracht?
    Der Verantwortliche vorne hörte endlich auf zu reden und seitlich von ihm erhob sich jetzt ein Chor von seinen Stühlen. Die Sänger waren gemischten Alters und trugen weiße Roben; Sam fand, dass sie wie Vögel aussahen. Er kannte ja nicht viele Vogelarten beim Namen, aber gesehen hatte er doch so einige und er war sich sicher, dass es irgendwo auch eine große weiße Vogelart mit sauberem Gefieder und behaarten Köpfen geben musste.
    Dann begann die Orgel wieder zu spielen und Sam sah, wie sich eines der Chormädchen durch die Gruppe nach vorne schlängelte. Er sah auch, dass sie in seinem Alter war. Und als sie sich jetzt zögernd auf das Mikrofon zubewegte, merkte er, wie nervös sie war.
    ***
    Emily schwitzte, ihr war gleichzeitig heiß und kalt. Wie lächerlich das alles war. Ihr Vater trat zur Seite und gab ihr ein Zeichen, das wohl aufmunternd gemeint war, aber sie würde mit ihm jetzt bestimmt keinen Blickkontakt halten.
    Für den Moment am Mikrofon hatte sie sich ihre eigene Strategie ausgedacht.
    Sie würde sich auf die letzten Bänke konzentrieren.
    Die Bänke in der Nähe der Tür.
    Denn dort saßen die Leute, die ihre E-Mails checkten und die Sportergebnisse nachguckten. Der hintere Teil der Kirche war mit schemenhaften Gestalten angefüllt, die gleichzeitig anwesend und nicht anwesend waren. Die Weghörer.
    An die würde sie sich halten.
    Oder besser: an ihn.
    Denn als sie aufblickte, bemerkte sie, dass an diesem Tag nur ein einziger Mensch in der letzten Reihe saß.
    Emily hob das Kinn und öffnete den Mund und sang jetzt nur für ihn:
    »You and I must make a pact. We must bring salvation back. Where there is love… I’ll be there.«
    Sie konnte sich singen hören. Aber es war nicht sie selbst, die da sang. Und das war der einzige Segen an diesem Tag. Emily kannte das Lied. Sie kannte jedes einzelne Wort:
    »I’ll reach out my hand to you. I’ll have faith in all you do. Just call my name and I’ll be there…
    I’ll be there to comfort you, build my world of dreams around you. I’m so glad that I found you.
    I’ll be there with a love that’s strong. I’ll be your strength. I’ll keep holding on.
    Let me fill your heart with joy and laughter.
    Togetherness, well, that’s all I’m after. Whenever you need me, I’ll be there.«
    Sie sang all diese Worte für einen Jungen, den sie nie zuvor gesehen hatte.
    Sie konnte sehen, dass er groß und schlaksig war. Er hatte dunkelbraune Haare, die wild und zerzaust waren. Als wäre er schon lange nicht mehr beim Friseur gewesen.
    Der Junge, für den sie sang, war braun gebrannt, als ob er viel im Freien wäre, auch wenn der Winter noch nicht vorbei war.
    Und sie bemerkte, dass er sich nicht wohlzufühlen schien. Als gehörte er eigentlich nicht an diesen Ort. So wie sie auch nicht auf dieses Podest hier vorn gehörte.
    Er schaute sie an.
    Alle anderen in der Kirche sahen sie auch an oder fast alle.
    Aber auf einmal spielte nur noch eine Rolle, dass er sie anschaute.
    Denn auch für sie zählte nur noch, dass sie ihn anschaute. Und sobald sie einmal damit angefangen hatte, konnte sie nicht mehr
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