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Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)

Titel: Sam & Emily: Kleine Geschichte vom Glück des Zufalls (German Edition)
Autoren: Holly Goldberg Sloan
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emotionale Wirkung von Musik umso größer ist, je vertrauter die Leute damit sind.
    Emily fand, dass das im Grunde ein ziemlich billiger Trick war.
    Er benutzte für den Gottesdienst Lieder, bei denen sich die Leute automatisch glücklich fühlten. Der kritische Punkt bei seinem Plan war allerdings sie. Es war einfach ein Fehler, ausgerechnet sie dafür als Versuchskaninchen einzusetzen.
    Die ganze Woche hatte Emily versucht, ihre Mutter auf ihre Seite zu ziehen, auf deren Vernunft man eigentlich immer zählen konnte. Aber Debbie Bell war Krankenschwester in der Notaufnahme und erklärte immer, dass sie sich mit Schmerzen auskannte und ihr Mann mit großen Gefühlen. Deshalb überließ sie alles, was mit Musik zu tun hatte, ihm.
    In ihrer Verzweiflung hatte Emily sogar ihren jüngeren Bruder Jared zu bearbeiten versucht, der erst zehn war und bei ihrem Altersabstand von sieben Jahren eigentlich immer machte, was sie sagte. Aber sogar Jared war der Meinung, dass sie sich doch nicht so haben sollte.
    Emily schloss die Augen. Sie hörte plötzlich ihre eigene Stimme in der zwitschernden Geschwindigkeit von Zeichentrick-Streifenhörnchen singen: »I’ll be there. Just call my name. I’ll be there.«
    Der absolute Albtraum.
    Sie musste die Zähne zusammenbeißen und durch.
    Aber wie sollte das bitte schön gehen, die Zähne zusammenbeißen und gleichzeitig singen?

2
    Sams Vater, Clarence Border, hörte Stimmen.
    Allerdings waren es die Stimmen von Leuten, die zu eher ungewöhnlichen Zeiten wach waren und ausschließlich in seinem Kopf existierten. Stimmen von Leuten, deren Aufgabe es in erster Linie war, ihn vor Gefahren zu warnen – gelegentlich tatsächlichen Gefahren, meist aber Ausgeburten seiner Fantasie.
    Schon bei der ersten Begegnung mit Clarence Border fiel auf, dass man es hier mit einem unsicheren Mann zu tun hatte. Sein schmächtiger Körper schien vor Energie nur so zu sprühen. Wenn er sprach, flatterten seine Hände so nervös, als spiele er auf einem unsichtbaren Klavier, das auf seinen knochigen Knien ruhte.
    Nicht dass er Zuckungen gehabt hätte. Dafür hatte er sich zu sehr unter Kontrolle. Vielmehr war er so programmiert, dass er sich jederzeit und von einem Augenblick zum anderen auf und davon machen konnte.
    Und einen dabei mit sich nahm.
    Clarence war ein gut aussehender Mann. Er hatte volles schwarzes Haar und ein kräftiges Kinn. Und wenn er seine schwarzen, stets sauberen Jeans trug, sah man ja nicht, dass auf die Innenseite seines linken Beins eine Schlange tätowiert war, die sich um seine Wade wand. Die Tätowierung stammte von ihm, das war offensichtlich.
    Clarence war über einen Meter achtzig groß und man sah ihm auf den ersten Blick an, dass er zuschlagen konnte – und dass es dazu nicht viel brauchte.
    Er besaß eine sonore Stimme, was man so lange als beruhigend empfinden konnte, bis seine Finger wieder anfingen zu zucken, als erhielte er eine Botschaft von einem weit entfernten Ort, einem Ort außerhalb des Schaltkreises seines Stirnhirns, das einfach nicht richtig zu arbeiten schien.
    Das Leben von Sams Vater hätte sich in mancherlei Richtung entwickeln können. So hätte er in Alaska in der Nähe der kleinen Hütte wohnen bleiben können, in der er geboren worden war; er hätte jagen, fischen und sich gelegentlich an fremdem Eigentum vergreifen und es verkloppen können, um über die Runden zu kommen. Aber man hatte ihn dabei erwischt, wie er einen Außenbordmotor an einen Polizisten absetzen wollte, der gerade nicht im Dienst war.
    Seine Festnahme legte eine ganze Reihe anderer Untaten offen und so landete Clarence mit seinen zweiundzwanzig Jahren für drei Jahre im Gefängnis. Nach seiner Entlassung verließ er den Bundesstaat, und wenn er eines tief in seinem Herzen wusste, dann, dass er niemals wieder hinter Gittern sitzen wollte.
    Was keinesfalls hieß, dass er vorhatte, von nun an ein tugendhaftes Leben zu führen. Weit gefehlt. Clarence Border hatte nicht gelobt, anständig zu werden. Er hatte diesen Schwur aus reiner Verzweiflung und zu seinem eigenen Schutz geleistet und hätte jederzeit jedermann alles angetan, nur um den Behörden immer einen Schritt voraus zu sein.
    Eine Zeit lang war Clarence’ Leben in Montana, wo Sam geboren wurde, ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen. Shelly hatte er im Buttrey Food & Drug Store kennengelernt. Dort tauchte sie gerade in dem Moment in seinem Gang auf, als er Anstalten machte, eine Packung Goldfish Cracker mit
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