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Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten

Titel: Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten
Autoren: Sheila Jeffries
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vom Tierheim die Rede war.
    Später tappte ich hinüber zum Sofa und beschwatzte Jessica, damit sie wieder darunter hervorkam. Ihre Augen waren groß und dunkel, als sie sich endlich dazu herabließ und sich neben mich auf unseren Lieblingssessel setzte.
    »Ich mag dich«, sagte ich. »Und Ellen mag dich auch. Warum musst du nur immer die Briefe so zerfetzen?«
    Jessicas Antwort überraschte mich.
    »Ich zerfetze nur die braunen. Da sind Rechnungen drin, und die machen Joe schlechte Laune. Er zerreißt sie auch, das habe ich gesehen. Und er versteckt sie vor Ellen.«
    Der Sommer ging vorüber, und die Äpfel begannen, mit einem lauten Plumps auf den Rasen zu fallen. Ellen und John sammelten bei den Hecken saftige Brombeeren in Tüten. Ich bestand darauf, die beiden zu begleiten, natürlich mit hoch aufgerecktem Schwanz.
    »Das sieht aus wie ein Schnorchel«, lachte Ellen, als ich durch das hohe Gras stolzierte.
    Aber sie wollte nicht, dass ich ihr zum Geschäft folgte. Seit meinem Abenteuer mit dem Lastwagen hatte ich Angst vor Verkehrslärm, und jedes Mal, wenn ich versuchte, Ellen die Hauptstraße hinunter zu begleiten, verschwand ich immer wieder verschreckt in fremden Hecken und Gärten. Aber ich wollte sie nicht aus den Augen lassen. Manchmal schloss sie mich deswegen ein, dann saß ich am Fenster wie ein Wächter und wartete auf ihre Rückkehr.
    Ellen veränderte sich. Sie war häufig wütend, ängstlich oder erschöpft von den zunehmenden Streitereien mit Joe. Aber meine Liebesbeweise waren immer willkommen, und es gab regelmäßig etwas zu fressen. Ich wurde geknuddelt, gebürstet und mit Flohpuder traktiert. Sie gab mir Vitamine und ab und zu sogar ein Ei. So wurde mit der Zeit ein glänzender, großer Kater aus mir.
    Auch der Winter verging, und als der Frühling kam, war ich der Chef im Haus. Jessica schäkerte mit mir. Sie verleitete mich zu wilden Jagden durch die Himbeerranken, hinauf auf den Kirschbaum und über das Garagendach. Wir paarten uns, wo auch immer uns der Sinn danach stand: auf dem Rasen der Nachbarn, im Gemüsegarten, sogar mitten auf der Straße.
    Am besten war es aber auf dem Wäschetrockner in der Abstellkammer, wenn er gerade lief. Bis Ellen die Tür aufmachte und uns erblickte. Wir erstarrten, schlossen die Augen – und machten weiter. Ellen verstand, lächelte und ließ uns allein.
    Einen Monat später oder so trug Jessica schwer an meiner Nachkommenschaft. Bald war sie zu dick, um unters Sofa zu schlüpfen. Die Schwangerschaft machte sie ruhiger. Sie machte uns alle ruhiger, sogar mich.
    Jessica war zufrieden. Sie ignorierte den Briefträger und richtete sich unter Ellens Bett häuslich ein. Und in einer heißen Juninacht bekam sie drei winzige Katzenkinder. Meine Kinder! Ellen brachte sie sofort alle nach unten in die Küche und setzte sie in einen Korb. Aber Jessica schleppte sie wieder nach oben, jedes Einzelne vorsichtig in ihrem Maul.
    Aber der Tag, an dem ich die wunderschönen Katzenkinder bewunderte und sah, wie Jessica sich in eine liebevoll schnurrende Katzenmama verwandelte, sollte für lange Zeit mein letzter glücklicher Tag sein.
    Das Haus lag friedlich in der Sonne. Ellen und Joe kamen gut miteinander aus, und John spielte glücklich im Garten.
    Das war, bevor der Gerichtsvollzieher bei uns erschien.
    Ich war ziemlich wacklig auf den Beinen, weil mich Joe ein paar Tage zuvor zum Tierarzt gebracht hatte. Der hatte mir eine Spritze gegeben, die mich einschlafen ließ, und dann irgendetwas mit mir angestellt, was mich daran hindern sollte, weitere Katzenkinder zu bekommen. Es tat weh und war erniedrigend.
    Hinterher fühlte ich mich deprimiert, obwohl ich den Grund verstand. Ich hatte dieser Prozedur in der unsichtbaren Welt zugestimmt. Ein richtiger Kater zu bleiben würde mich vom Pfad meiner Bestimmung abbringen. Ich hatte mich bereit erklärt, Ellen zu lieben und ihr in schlechten Zeiten beizustehen. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, wie schlecht die Zeiten werden würden, hätte ich wahrscheinlich gekniffen.
    Ellen hatte mir mein Liebesleben mit Jessica gegönnt. Und sie wollte, dass Jessica die Erfahrung der Mutterschaft machen konnte. Außerdem sollte John erleben, wie die Katzenkinder geboren wurden und aufwuchsen.
    So viel zu Ellens Träumen vom idealen Leben.
    An diesem warmen Junitag hatte mich mein Engel in aller Herrgottsfrühe geweckt. Er zeigte mir das Bild eines Mannes in einem grauen Anzug, der sich in einem großen Gebäude namens »Amtsgericht«
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