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Sagen und Märchen Altindiens

Titel: Sagen und Märchen Altindiens
Autoren: Alois Essigmann
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Abendandacht – er, der jeder Pflicht des Priesterslandes so pünktlich nachkommt – oh – er ist gestorben – sie haben ihn ermordet – oh – ich will nicht leben ohne ihn!«
    Tröstend strich Uschanas über die Flechten seines lieblichen Kindes und rief den Vermißten mit seiner geheimnisvollen Zauberformel.
    Da zerriß Katscha die Leiber der Wölfe, die ihn gefressen hatten, lief nach Hause und erzählte der treubesorgten Dewajani, was ihm geschehen war.
    Bald darauf lauerten die Danawa dem Wiedererstandenen von neuem auf und töteten ihn, als er beim Blumensuchen zu weit in den Wald geraten war.
    Sie warfen den Leichnam ins Meer, doch Uschanas' Zauberwort reichte auch in dessen Tiefen, und Dewajani konnte den schmerzlich vermißten Gespielen bald wieder begrüßen.
    Zum drittenmal erschlugen nun die Danawa den Jüngling, verbrannten seinen Leichnam und gaben die Asche seinem Meister in Sura, einem berauschenden Getränk, zu trinken.
    Wieder klagte Dewajani dem Vater ihr Leid, doch dieser weigerte sich, sein Zauberwort zu sprechen: »Wie oft ich auch Katscha erwecken wollte, die Danawa würden ihn stets wieder erschlagen!« sprach er. »Laß ihn ruhen! weine nicht um den armseligen Schüler, da Götter und Danawa um deine Liebe werben.«
    »Oh – oh!« schluchzte Dewajani. »Wie kann ich meinem Schmerz um den edlen Jüngling, den lieben Gespielen, gebieten? – Nein, Vater, nein! – Hungern will ich und dürsten, bis du mich mit ihm vereinst – oder der Tod!«
    »So will ich ihn noch einmal rufen!« sprach Uschanas, »und die Brahmanenmörder mit schweren Strafen bedrohen – –.«
    »Halt ein!« rief da Katscha aus Uschanas' Leib, »Rufe mich nicht, ehrwürdiger Lehrer, denn du müßtest sterben. Die Danawa haben dir meine Asche im Abendtrunk gegeben! Du stirbst, wenn ich die Fesseln des Todes breche!«
    »Nun, Dewajani, hast du die Wahl: gilt dir des Gespielen Leben mehr als das des Vaters?« sprach Uschanas ernst.
    »Weh' mir!« schluchzte Dewajani. »Wie soll ich einen missen von zweien, die ich liebe? – Oh, laß mich – Vater – laß mich sterben!«
    »Wie schön, wie edel bist du, Katscha! daß meine Tochter so dich liebt!« rief Uschanas. »Ersteh' aus meinem Blut aufs neue als mein Sohn – doch nimm zuerst den Zauber, der ins Leben ruft, daß du mich, deinen Vater, aus des Todes Banden lösest!«
    Darauf murmelte er die Zauberformel, und als der wiedererstehende Katscha des Greises Adern sprengte, fiel dieser um und war tot.
    Doch rasch belebte das Zauberwort des kundigen Schülers den Toten. Freudig schlössen die Drei einander in die Arme.
    Der Asketenfürst aber, welcher durch sein Suratrinken so viel Glück gefährdet halte, verfluchte für alle Zeiten jeden Brahmanen, der der Lockung des berauschenden Trankes nicht widerstehen könnte: An Leib und Seele sollte der suratrinkende Priester gestraft werden, wie der Mörder eines Gerechten!
    Katscha blieb bis ans Ende seiner tausendjährigen Lehrzeit bei Uschanas. Als er Abschied nahm, um nach der Götterstadt zurückzukehren, bat Dewajani ihn hold verschämt, sie als Gattin in sein Haus zu führen.
    »O Schwesterlein!« sprach Katscha dawider, »wie könnte ich dich freien, da wir doch beide eines Blutes sind? Uschanas, der mich aus seinem Blut zu neuem Leben gerufen hat, ist mein Vater, wie der deine! – Der heilige Weda und aller Völker Gebrauch verbietet solchen Bund. – Sonniges Glück wünsche ich dir, holde Schwester, doch unsere Wege müssen sich scheiden!«
    Damit grüßte er die Betrübte und eilte nach dem Himmel. Dort feierten ihn die Gölter als Befreier aus schwerer Not mit vielen Ehren und jubelnder Freude.
    Dewajani aber drohte sich schier zu verzehren vor Sehnsucht nach dem Geliebten. Als Uschanas sein geliebtes Kind von Tag zu Tag bleicher werden sah, da verdachte er die Zauberformel, die an allem Schuld trug, auf daß sie für ewige Zeiten im Gedächtnis aller Geschöpfe erlösche.
    Seither bleiben Tote tot, und kein Götter-, kein Dämonenwort kann sie ins Leben rufen.

Mada, der Riese Leidenschaft
    Der Bhrigusohn Tschiawana hatte seine Klause am Ufer des Flusses Narmada gebaut und lebte dort in strengster Askese. Schier unerschöpfliche Gnadenschätze häufte er durch fromme Buße auf: Während des glühenden indischen Sommers saß er nackend zwischen vier hochlodernden Feuern und ließ sich die Sonne auf den Scheitel brennen. Viele Jahre hindurch hielt er das strenge Gelübde des Schweigens, und seine Nahrung bestand
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