Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sagen aus Schlesien

Sagen aus Schlesien

Titel: Sagen aus Schlesien
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
Vom Netzwerk:
wüßtens nicht!«
    Die schlesische Chronik gedenkt eines Raubschlosses auf dem Zottenberge, dessen Ruinen noch zu sehen sind.

Die Seelen der Ertrunkenen
    So oft sich der Wassermann zeigt, sagt man im nordöstlichen Böhmen, so ertrinkt jemand, und am schwarzen Sonntag, dem Totensonntag, geschieht das gewiß. Der Wassermann sperrt die Seelen der Ertrunkenen unter Käsenäpfe (kleine, runde Näpfchen in der Größe und Gestalt einer Tabaksdose). Ihre Zahl ist so groß, daß der Wassermann hofft, auf den jüngsten Tag so viele Seelen zu haben wie der liebe Gott.
    Ein Mädchen, so erzählt man um Trautenau, war beim Wassermann im Dienst. Es hatte alle häusliche Arbeit zu tun, die es da in dem großen prächtigen Hause gab. Eines Tages war der Wassermann nicht zu Hause, nur sein Weibel saß in der Stube. Das Mädchen ging wie gewöhnlich seiner Arbeit nach, räumte in der Stube zusammen, kehrte die Dielen, wischte Staub und kam dabei auch an den großen Kachelofen, um den rings auf dem Kranze eine Menge Käsenäpfe standen. Schon lange war sie neugierig, was wohl darunter sein möchte, allein der Wassermann hatte ihr streng verboten, sie anzurühren oder gar zu öffnen. Heute aber war er nicht zu Hause, und da lüftete sie den Deckel von einem Käsenapf – und sieh, da floh eine kleine weiße Taube heraus und davon. Darüber erschrak die Magd nicht wenig und ebenso sehr auch das Wasserweibel, das den letzten Teil der Arbeit mit angesehen hatte. Ihm bangte für das Leben der Magd, denn sie mochte das Mädchen gerne. Darum sagte sie zu ihm: »Wenn der Wassermann nach Hause kommt und sieht, was du getan hast, wird er wütend und bringt dich vielleicht um. Ich kann dir nur eines raten, stelle dich hinter den Holunderbusch draußen im Garten und bleibe dort stehen, mag dir der Wassermann auch sagen und versprechen was er will. Dort bist du sicher vor ihm. Wenn sich sein Zorn gelegt hat, wird er dich wieder rufen und zu dir sprechen: »Komm, ich tu dir nichts!« Sobald er das gesagt hat, kannst du aus dem Strauch heraustreten.«
    Und wie das Wasserweiblein vorausgesagt hatte, so geschah es auch. Der Wassermann tobte, aber er konnte dem Mädchen nichts anhaben. Und als er sich beruhigt hatte und gesprochen: »Komm her, ich tu dir nichts«, da verließ das Mädchen den Strauch, und der Wassermann sagte: »Nun kannst du nicht mehr bei mir bleiben, aber du magst noch einmal auskehren, und das Kehricht soll dann dein Lohn sein.« Und das Mädchen packte seine Sachen, kehrte die Stube noch einmal, nahm das Kehricht in die Schürze und verließ den Wassermann. Es hatte es aber so eilig, daß es, kaum als es an die Oberfläche gelangt war, einen Teil von dem, was es in der Schürze hatte, verschüttete, ohne es zu merken. Zu Hause, als es die Schürze auftat, zeigte es sich, daß es lauter Gold gewesen war. Nun tat es ihr wohl leid, so wenig behalten zu haben, aber das wenige hatte das Gute, daß es nicht abnahm.

Die Sibylla im Turm
    Die Sibylla oder Sibylle ist eine große Prophetin gewesen, die in einem alten Turm ihre Sünden abbüßt. In diesem Turm sind die greulichsten Ungeheuer, Schlangen, Eidechsen, Molche, Schildkröten (die man sich als geflügelte Ungetüme denkt) und allerlei Ungeziefer. Sibylla sitzt nun in diesem Turme und näht ihr Sterbehemd. Sie ist bis zum jüngsten Tage hierher verbannt. Alle hundert Jahre macht sie einen Stich, und meine Mutter, erzählt Philo vom Walde, wollte wissen, daß sie jetzt nur noch den »Spätlich« zu nähen habe. Sobald das Hemd erst fertig ist, geschieht der jüngste Tag. Es waren schon viele Ritter im Turme, um die Prophetin verschiedentlich zu befragen. jedem gab sie ausführliche Auskunft – aber kein einziger kam zurück, alle fanden durch jene Ungeheuer den Tod. Nur dem Fürst Lichtenstein glückte es. Er ließ sich nachts an einem Seile vom obersten Turmfenster, während die Ungetüme schliefen, herab. Auf windschnellem Rosse jagte er fort – und alle zehn Meilen hatte er schon ein anderes stehen; das frühere fiel tot nieder. Auf diese Weise kam er bis über die Grenze ihres Gebietes. Da ist noch eine Schildkröte ihm nachgeflogen, ihn zu zerreißen; doch hatte sie keine Macht mehr über ihn, weil ja die Grenze schon überschritten war. Müde setzte sie sich auf seine Schulter, als Wahrzeichen brachte er sie nach Hause. – Links von der Straße Leobschütz – Wernersdorf ist ein alter Trümmerhaufen, auf dem ein einsamer Baumstumpf stand. Das ist der Rest des Schlosses,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher