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Sagen aus dem Rheinland

Sagen aus dem Rheinland

Titel: Sagen aus dem Rheinland
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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verlegen, halb vorwurfsvoll an und griffen dann zögernd in die Taschen; es kam kein Bleistift zum Vorschein. »Dann wollen wir«, fuhr der Bürgermeister fort, »die Sitzung schließen und auf das gute Gelingen unserer Pläne ein paar Flaschen leeren.« Er winkte dem Ratsdiener, der alsbald verschwand und nach ein paar Minuten mit einem Korb voll bemooster Flaschen Scharlachberger zurückkam.
    Von neuem kam das würdige Stadtoberhaupt in Verlegenheit; in seinen Hosentaschen fand sich kein Stopfenzieher. Auf seine Frage nach diesem im Weinlande so unentbehrlichen Gerät zuckten die Hände der Ratsherrn, ohne fehl zu greifen, blitzschnell nach den richtigen Taschen, und im nächsten Augenblick lagen einundzwanzig Stopfenzieher vor dem verständnisvoll schmunzelnden Bürgermeister. Sie waren alle vom fleißigen Gebrauch so blank wie ein neuer Silbertaler.
    Noch heute heißen im Rheingau die Stopfenzieher Binger Bleistifte.

Der Binger Mäuseturm
    Zu Bingen ragt mitten aus dem Rhein ein hoher Turm, von dem nachstehende Sage umgeht. Im Jahr 974 ward große Teuerung in Deutschland, daß die Menschen aus Not Katzen und Hunde aßen und doch viel Leute Hungers sturben. Da war ein Bischof zu Mainz, der hieß Hatto der andere, ein Geizhals, dachte nur daran, seinen Schatz zu mehren und sah zu, wie die armen Leute auf der Gasse niederfielen und bei Haufen zu den Brotbänken liefen und das Brot nahmen mit Gewalt. Aber kein Erbarmen kam in den Bischof, sondern er sprach: »Lasset alle Arme und Dürftige sammlen in einer Scheune vor der Stadt, ich will sie speisen.« Und wie sie in die Scheune gegangen waren, schloß er die Türe zu, steckte mit Feuer an und verbrannte die Scheune samt den armen Leuten. Als nun die Menschen unter den Flammen wimmerten und jammerten, rief Bischof Hatto: »Hört, hört, wie die Mäuse pfeifen! « Allein Gott der Herr plagte ihn bald, daß die Mäuse Tag und Nacht über ihn liefen und an ihm fraßen, und vermochte sich mit aller seiner Gewalt nicht wider sie behalten und bewahren. Da wußte er endlich keinen andern Rat, als er ließ einen Turm bei Bingen mitten in den Rhein bauen, der noch heutiges Tags zu sehen ist, und meinte sich darin zu fristen, aber die Mäuse schwummen durch den Strom heran, erklommen den Turm und fraßen den Bischof lebendig auf.

Der blinde Schütz auf Sooneck
    In alten Zeiten hauste auf der stolzen Burg Sooneck ein gewalttätiger Raubritter. Er war der Schrecken der Reisenden, die duch sein Gebiet ziehen mußten, und lag mit allen Nachbarn, die sich an seinen Raubzügen nicht beteiligten, in Fehde. Zu seinen Freunden zählte er nur Gesellen seines eigenen Schlages.
    Eines Tages überfiel er mit seinen Kumpanen einen Zug friedlicher Kaufleute. Den billig errungenen Sieg feierte er mit einem wüsten Trinkgelage. Als die Zecher vom reichlich genossenen Wein erhitzte Köpfe hatten, gerieten sie in Streit darüber, wer von ihnen Bogen und Pfeil am besten zu handhaben verstehe. Keiner wollte zurückstehen, jeder wollte Meister sein.
    Da rief der Burgherr in den Streit und Lärm hinein: »Nicht einer von uns allen kann es als Schütze mit dem Fürstenecker aufnehmen!« Die Spießgesellen schauten einander verwundert an, war doch der Ritter von Burg Fürsteneck seit einiger Zeit auf unerklärliche Weise verschwunden. Mit seiner vom Trunke heiseren Stimme rief da der Soonecker: »Ich weiß, wo der fromme Schleicher ist! In meinem Burgverlies liegt er gefangen und geblendet. Doch heute soll er vor euch einen Meisterschuß tun,«
    Nach wenigen Augenblicken steht der Gefangene im Saal, erloschenen Auges und mit vergrämten Zügen, aber doch hoch erhobenen Hauptes. »Heute sollst du deinen Meisterschuß tun«, höhnt der Soonecker. »Wenn. du das Ziel triffst, bist du frei!« »Ich will es wagen«, sagt der Blinde und umspannt prüfend den dargereichten Bogen. Da wirft der Räuber einen Becher mitten unter die Zechgenossen und schreit: »Hier der Becher ist das Ziel. Schieß los!«
    Schnell spannt der Blinde den Bogen, schon schwirrt die Sehne, und mit dem Pfeil im Herzen sinkt der Ritter von Sooneck tot zu Boden. Ernüchtert verlassen die Gäste den Saal. Nur ein Mitleidiger bleibt zurück und führt den Blinden auf seine Burg, heim zu Weib und Kind.

Der Dom zu Köln
    AIs der Bau des Doms zu Köln begann, wollte man gerade auch eine Wasserleitung ausführen. Da vermaß sich der Baumeister und sprach: »Eher soll das große Münster vollendet sein, als der geringe Wasserbau!« Das
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