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Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Titel: Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Michael Robotham
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man uns dargestellt hatte. Wir waren frühreif mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern. Wild. Straffällig. Tash ein schwer erziehbares Kind, das von der Schule verwiesen worden war. Ihr Vater hatte im Gefängnis gesessen. Mein Dad hatte obszön hohe Boni kassiert, während die Steuerzahler seine Bank retten mussten.
    Beinahe über Nacht verwandelte Bingham sich von einem verschlafenen idyllischen Städtchen in das Herz der Finsternis – voller Teenagersex, Drogen und Komasaufen. Dieselben Gutmenschen, die bei der Suche geholfen, Beileidskarten geschrieben und Geld gespendet hatten, schnalzten mit der Zunge und schüttelten den Kopf. Die ganze Stadt ließ ihre Missbilligung heraus, und das Land stimmte in den Chor mit ein.
    Blumen verwelkten in ihrer Zellophanverpackung, Luftballons lagen schlaff auf dem Boden, Stofftiere wurden feucht, die handgeschriebenen Wünsche verwischten. Der Glanz blätterte ab von Bingham wie billiger Nagellack, unter dem etwas Hässliches und Schmutziges zum Vorschein kommt.

2
    Oxford liegt unter einer Schneedecke und ist überrascht von seiner eigenen Stille. Haufen schmutzigen Eises sind an die Straßenränder gepflügt oder von Bürgersteigen und Einfahrten geschaufelt worden. Die verträumten Türme wirken besonders nachdenklich, eingehüllt von Dunst und bewacht von Wasserspeiern mit Eisbärten.
    Ich habe den Vormittag damit zugebracht, in einem breiten Sessel in der Halle des Randolph Hotels meine Rede auf der Konferenz vorzubereiten. Es gibt eine Morse Bar – benannt nach dem Chefermittler aus Colin Dexters Kriminalromanen –, an den Wänden hängen Fotos der Hauptfiguren.
    Charlie war den ganzen Morgen in der Cornmarket Street shoppen. Sie wärmt sich vor dem offenen Kamin.
    »Hast du Hunger?«
    »Ich sterbe vor Hunger.«
    »Wie wär’s mit Sushi?«
    »Ich mag kein japanisches Essen.«
    »Es ist sehr gesund.«
    »Nicht für Wale und Delphine.«
    »Wir essen keinen Wal oder Delphin.«
    »Und was ist mit Thunfisch?«
    »Das heißt, du boykottierst alles aus Japan?«
    »Bis sie den Walfang für angeblich wissenschaftliche Zwecke einstellen.«
    Mein linker Arm zittert. Die Wirkung meiner Medikamente lässt nach, und eine unsichtbare Kraft zupft an unsichtbaren Fäden wie ein Fisch, der an einem Köder knabbert.
    Ich weiß alles über meinen Zustand, habe jede Abhandlung, medizinische Fachzeitschrift, Promi-Autobiografie und jeden Online-Blog über Parkinson gelesen. Ich kenne die Theorien, die Symptome, die Prognose und die möglichen Therapien – die den Fortschritt der Krankheit alle hinauszögern, meinen Zustand jedoch nicht heilen können. Ich habe die Suche noch nicht aufgegeben. Ich habe es nur aufgegeben, zwanghaft darüber zu grübeln.
    Ich blicke über Charlies Schulter und sehe zwei Männer in der Halle, die ihre Mäntel abstreifen. Feuchtigkeit perlt auf die Marmorfliesen. Sie haben Schlamm an den Schuhen und riechen nach Bauernhof.
    Der Ältere ist Mitte vierzig mit einem beunruhigend niedrigen Haaransatz, der seine Stirn hinunterzukriechen scheint, um die Augenbrauen zu treffen. Sein Kollege ist jünger und größer mit der Figur eines ehemaligen Boxers, der sein Training hat schleifen lassen.
    Eine Polizeimarke wird präsentiert.
    »Wir suchen Professor O’Loughlin.«
    Die junge Frau am Empfang ruft auf meinem Zimmer an. Charlie stößt mich an. »Die fragen nach dir.«
    »Ich weiß.«
    »Willst du nichts sagen?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Wir wollen doch zusammen Mittag essen.«
    Die Spannung bringt sie um. »Suchen Sie meinen Vater?«, fragt sie laut.
    Die Männer drehen sich um.
    »Er ist hier«, sagt sie.
    »Professor O’Loughlin?«, fragt der ältere Mann.
    Ich werfe Charlie einen enttäuschten Blick zu.
    »Ja«, antworte ich.
    »Wir kommen, um Sie abzuholen, Sir. Ich bin Detective Sergeant Casey. Das ist mein Kollege Brindle Hughes, Detective Constable in der Ausbildung.«
    »Die Leute nennen mich Grievous«, sagt der jüngere Mann mit einem verlegenen Lächeln.
    »Wir wollten gerade gehen«, sage ich und zeige auf die Drehtür.
    »Unser Chef will Sie sehen«, antwortet Casey. »Er sagt, es ist wichtig.«
    »Wer ist Ihr Chef?«
    »Detective Chief Inspector Drury.«
    »Ich kenne ihn nicht.«
    »Er kennt Sie aber.«
    Es entsteht eine Pause. Mit Polizisten geht es mir wie mit Priestern – sie erledigen wichtige Jobs, aber sie machen mich nervös. Nicht, weil ihr Beruf etwas mit Beichten und Geständnissen zu tun hat – ich habe ein reines Gewissen
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