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Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Titel: Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Michael Robotham
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seien wir ihre Kinder, als würden wir die Tragödien ihres eigenen Lebens auf den Punkt bringen.
    Wir waren wie die beiden Geschwister aus dem Märchen, wie Hänsel und Gretel, oder wie die verschwundenen Mädchen aus Soham in ihren identischen Man-United-Trikots. Ich erinnere mich an die Mädchen aus Soham, weil unsere Schule ihren Familien Karten geschickt hat, auf denen stand, wir würden für sie beten.
    Ich mag diese alten Märchen nicht – die, in denen Kinder von Wölfen gefressen oder von Hexen eingesperrt werden. In unserer Grundschule hat man Hänsel und Gretel aus dem Bücherregal genommen, weil einige Eltern sich beschwert hatten, dass es zu unheimlich für Kinder sei. Mein Dad nannte solche Leute politisch korrekte Korinthenkacker und meinte, als Nächstes würden sie wahrscheinlich Humpty Dumpty als eine Verherrlichung von Gewalt gegen ungeborene Küken verbieten.
    Mein Dad ist nicht gerade berühmt für seinen Humor, doch manchmal kann er echt komisch sein. Einmal hat er mich so zum Lachen gebracht, dass mir der Tee aus der Nase gekommen ist.
    Die Tage vergingen, und der Ansturm der Reporter nahm kein Ende. Kameras schwenkten durch unsere Häuser, die Treppe hinauf in unsere Zimmer. An der Türklinke hing mein BH, und auf dem Nachttisch stand eine leere Tamponschachtel. Sie nannten es ein typisches Teenagerzimmer wegen der Poster, der kleinen, bunten Steinsammlung und den Schnappschüssen aus dem Fotoautomat, auf denen ich mit meinen Freundinnen drauf bin.
    Meine Mum hätte normalerweise einen Anfall bekommen, weil das Haus so chaotisch war, aber ihr war offenbar nicht nach Aufräumen. So wie sie aussah, war ihr wohl jeder Atemzug zu viel. Meistens hat Dad geredet, trotzdem kam er rüber wie ein Mann weniger Worte, der starke stille Typ.
    Unsere Eltern rekonstruierten unsere letzten Tage, setzten sie aus Fetzen von Informationen zusammen, wie bei den Alben, die Leute von ihren neugeborenen Babys machen. Jedes Detail war wichtig. Welches Buch habe ich gelesen: Supergute Tage – zum sechsten Mal. Welche DVD ich mir zuletzt ausgeliehen habe: Shaun of the Dead . Ob ich einen Freund habe: Ja, klar!
    Jeder hatte eine Geschichte über uns zu erzählen – sogar die Leute, die uns nie leiden konnten. Wir waren aufgeweckt, fröhlich, beliebt und fleißig; glatte Einserschülerinnen. Ich hab mich kaputtgelacht.
    Die Leute haben uns einen unechten Heiligenschein verpasst, uns zu den Engeln gemacht, die sie sich gewünscht hätten. Unsere Mütter waren anständig, unsere Väter schuldlos. Perfekte Eltern, die es nicht verdient hatten, so gequält zu werden.
    Tash war die Intelligente und Hübsche. Und sie wusste es. Trug immer kurze Röcke und enge Tops. Selbst in ihrer Schuluniform sah sie umwerfend aus, mit Brüsten, die ihre Ankunft wie eine Kühlerfigur ankündigten. Es waren die Brüste einer erwachsenen Frau, einer Frau, die Glück gehabt hatte, einer Frau, die BHs vorführen oder bei einer Automesse die Motorhaube eines Sportwagens zieren könnte. Und sie fachte die Aufmerksamkeit noch weiter an, krempelte den Bund ihres Rockes um, um ihn noch kürzer zu machen, oder ließ den obersten Knopf ihrer Bluse offen.
    Mit fünfzehn ist das Aussehen eines Mädchens ziemlich unberechenbar. Manche blühen auf, andere spielen Klarinette. Ich war dünn und hatte Sommersprossen, einen großen Mob wirrer schwarzer Haare, ein spitzes Kinn und Wimpern wie ein Lama. Meine körperlichen Vorzüge waren noch nicht bei mir angekommen oder einer anderen zugestellt worden, die vermutlich inniger oder überhaupt darum gebetet hatte.
    Ich war eher für Tempo als für tief ausgeschnittene Kleider und kurze Röcke gebaut. Spindeldürr, eine Läuferin, Zweite der Landesmeisterschaften in meiner Altersgruppe. Mein Vater meinte, ich wäre ein halber Windhund, bis ich ihn darauf hinwies, dass der Vergleich mit einem Hund meinem Selbstbewusstsein nicht förderlich sei. Unscheinbar, lautete die Beschreibung meiner Großmutter. Ein Bücherwurm, sagte meine Mutter. Sie hätten mich auch ein Mauerblümchen nennen können, allerdings weiß ich gar nicht, wie Mauerblümchen aussehen. Verglichen mit mir wahrscheinlich gut.
    Tash war ein hässliches Entlein, das zu einem Schwan erblühte, während ich ein hässliches Entlein war, das zu einer Ente heranwuchs – ein weniger glückliches Ende, ich weiß, aber so was kommt weit häufiger vor. Anders ausgedrückt, wenn ich eine Schauspielerin in einem Horrorfilm wäre, würde man einen Blick auf
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