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Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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(Ab.)
     
 * 
Vierter Auftritt
    Amine . Egle . Hernach Lamon .
    Egle .
    Gutherzig armes Kind, so wird dir’s nicht gelingen!
    Sein stolzer Hunger wächst, je mehr dass du ihm gibst.
    Gib acht, er raubt zuletzt dir alles, was du liebst.
    Amine .
    Verlier’ ich ihn nur nicht, das eine macht mir bange.
    Egle .
    Wie schön! Man sieht es wohl, du liebst noch nicht gar lange.
    Im Anfang geht es so: Hat man sein Herz verschenkt,
    So denkt man nichts, wenn man nicht an den Liebsten denkt.
    Ein seufzender Roman, zu dieser Zeit gelesen,
    Wie zärtlich der geliebt, wie jener treu gewesen,
    Wie fühlbar jener Held, wie groß in der Gefahr,
    Wie mächtig zu dem Streit er durch die Liebe war,
    Verdreht uns gar den Kopf; wir glauben, uns zu finden,
    Wir wollen elend sein, wir wollen überwinden.
    Ein junges Herz nimmt leicht den Eindruck vom Roman;
    Allein ein Herz, das liebt, nimmt ihn noch leichter an.
    Wir lieben lange so, bis wir zuletzt erfahren,
    Dass wir, statt treu zu sein, von Herzen närrisch waren.
    Amine .
    Doch das ist nicht mein Fall.
    Egle .
    Ja, in der Hitze spricht
    Ein Kranker oft zum Arzt: „Ich hab’ das Fieber nicht.“
    Glaubt man ihm das? Niemals. Trotz allem Widerstreben
    Gibt man ihm Arzenei. So muss man dir sie geben.
    Amine .
    Von Kindern spricht man so, von mir klingt’s lächerlich;
    Bin ich ein Kind?
    Egle .
    Du liebst!
    Amine .
    Du auch!
    Egle .
    Ja, lieb’ wie ich!
    Besänftige den Sturm, der dich bisher getrieben!
    Man kann sehr ruhig sein und doch sehr zärtlich lieben.
    Lamon .
    Da ist das Band!
    Amine .
    Sehr schön!
    Egle .
    Wie lange zauderst du!
    Lamon .
    Ich ging am Hügel hin, da rief mir Chloris zu.
    Da hab’ ich ihr den Hut mit Blumen schmücken müssen.
    Egle .
    Was gab sie dir dafür?
    Lamon .
    Was? Nichts! Sie ließ sich küssen.
    Man tu’ auch, was man will, man trägt doch nie zum Lohn
    Von einem Mädchen mehr als einen Kuss davon.
    Amine (zeigt Eglen den Kranz mit der Schleife) .
    Ist es so recht?
    Egle .
    Ja, gib!
    (Sie hängt Aminen den Kranz um, so dass die Schleife auf die rechte Schulter kommt. Mittlerweile redet sie mit Lamon.)
    Hör’! Nur recht lustig heute!
    Lamon .
    Nur heute recht gelärmt! Man fühlt nur halbe Freude,
    Wenn man sie sittsam fühlt und lang sich’s überlegt,
    Ob unser Liebster das, der Wohlstand jen’s erträgt.
    Egle .
    Du hast wohl recht.
    Lamon .
    Jawohl!
    Egle .
    Amine! Setz’ dich nieder!
    (Amine setzt sich, Egle steckt ihr Blumen in die Haare, indem sie fortredet.)
    Komm, gib mir doch den Kuss von deiner Chloris wieder.
    Lamon (küßt sie) .
    Von Herzen gerne. Hier!
    Amine .
    Seid ihr nicht wunderlich!
    Egle .
    Wär’ Eridon es so, es wär’ ein Glück für dich.
    Amine .
    Gewiss, er dürfte mir kein fremdes Mädchen küssen.
    Lamon .
    Wo ist die Rose?
    Egle .
    Sie hat sie ihm geben müssen,
    Ihn zu besänftigen.
    Amine .
    Ich muss gefällig sein.
    Lamon .
    Gar recht! Verzeih du ihm, so wird er dir verzeihn.
    Ja, ja! Ich merk’ es wohl, ihr plagt euch um die Wette.
    Egle (als ein Zeichen, dass sie mit dem Kopfputze fertig ist) .
    So!
    Lamon .
    Schön!
    Amine .
    Ach, dass ich doch jetzt schon die Blumen hätte,
    Die Eridon mir bringt.
    Egle .
    Erwart’ ihn immer hier.
    Ich geh’ und putze mich. Komm, Lamon, geh mit mir!
    Wir lassen dich allein und kommen bald zurücke.
     
 * 
Fünfter Auftritt
    Amine . Hernach Eridon
    Amine .
    O welche Zärtlichkeit, beneidenswürd’ges Glücke!
    Wie wünscht’ ich – sollt’ es wohl in meinen Kräften stehn? –
    Den Eridon vergnügt, und mich beglückt zu sehn!
    Hätt’ ich nicht so viel Macht ihm über mich gegeben,
    Er würde glücklicher und ich zufriedner leben.
    Versuch’, ihm diese Macht durch Kaltsinn zu entziehn!
    Doch wie wird seine Wut bei meiner Kälte glühn!
    Ich kenne seinen Zorn, wie zittr’ ich, ihn zu fühlen!
    Wie schlecht wirst du, mein Herz, die schwere Rolle spielen!
    Doch wenn du es so weit wie deine Freundin bringst,
    Da er dich sonst bezwang, du künftig ihn bezwingst –
    Heut ist Gelegenheit; sie nicht vorbei zu lassen,
    Will ich gleich jetzt – Er kommt! Mein Herz, du musst dich fassen.
    Eridon (gibt ihr Blumen) .
    Sie sind nicht gar zu schön, mein Kind! Verzeih es mir,
    Aus Eile nahm ich sie.
    Amine .
    Genug, sie sind von dir.
    Eridon .
    So blühend sind sie nicht, wie jene Rosen waren,
    Die Damon dir geraubt.
    Amine (steckt sie an den Busen) .
    Ich will sie schon bewahren;
    Hier, wo du wohnst, soll auch der Blumen Wohnplatz sein.
    Eridon .
    Ist ihre
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