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Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen

Titel: Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen
Autoren: Berte Bratt
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Welt das kommen könne. Ich vergesse nie seine Antwort, ich höre seine Stimme, ich sehe seine Augen, die mit Kennerblick den Kragen betrachteten:
    ,Tscha, das wird wohl die Spur einer Drahtschlinge sein, vielleicht ist das Tier gewildert, man kann nie wissen’
    Ich nahm den Pelz mit nach Hause, packte ihn weg. Die Worte des Kürschners klangen immer in meinen Ohren: ,Es wird wohl die Spur einer Drahtschlinge sein!’
    Mein Mann hatte den Mantel durch einen Zufall gekauft, er war ihm angeboten worden in einem Geschäft, das an sich gar keine Pelzsachen verkaufte. Er ahnte nichts vom Ursprung, er sah nur, daß der Mantel hübsch aussah, und der Preis war erstaunlich niedrig, verglichen mit dem, was man in europäischen Fachgeschäften bezahlen muß.
    Woher kamen wohl die Felle?
    Hatte ein Tier sich so sinnlos gequält, nur damit meine Freundinnen mich beneiden sollten? Hatte ein herrlicher Leopard, so wie der, den wir heute vormittag sahen, vielleicht tagelang unbeschreibliche Schmerzen erlitten, hatte er unter der brennendheißen Tropensonne bis zum Wahnsinn gedurstet - war er schließlich an seinen Qualen gestorben, oder war der Fallensteller gekommen und hatte das Tier endlich erlöst? Aber wie? Was für ein zusätzliches Leiden war wohl das Töten gewesen?
    Ich verschaffte mir Bücher über Afrikas Tierwelt. Ich las vor allem das, was mein Mann in seiner Bibliothek hatte, dann kaufte ich mir mehr. Es ging mir, wie es vielen Menschen ergangen ist: Ich bekam eine brennende Sehnsucht danach, diese Tierwelt mit meinen eigenen Augen zu sehen.
    Dann sind wir hergefahren, mein Mann und ich. Mein Mann hatte gute Verbindungen in Ostafrika, er kannte Menschen, die uns viel zeigten und viel erzählen konnten. Langsam wurden mir verschiedene niederschmetternde Dinge klar: erstens, daß diese Wunderwelt der Tiere in hohem Grade bedroht war. Die Tierbestände nahmen immer mehr ab, nicht nur durch die Großwildjäger, die Tiere umbringen, für die sie gar keine Verwendung haben. Sie nennen es Sport und kommen sich mutig vor, wenn sie, geschützt und geleitet von einem bezahlten Berufsjäger, ein Geschöpf Gottes sinnlos töten. Eine weitaus größere Gefahr bedeuteten die Wilderer und die damals nicht ausreichenden Wildschutzgesetze. Und noch eins: Die primitiven Menschen hatten überhaupt keine Ahnung davon, daß ihr Land einen der schönsten Reichtümer dieser Welt besitzt und daß es ihre Pflicht war, diesen Reichtum zu erhalten. Nun ja, von diesem Thema könnte ich stundenlang reden. Aber ich sage Ihnen ja nichts Neues, Sie werden alle Bücher gelesen haben und Filme und Fernsehsendungen gesehen haben, die uns in erfreulicher Weise klar gemacht haben, was alles hier geschehen ist, wie man auf dem besten Wege ist, das Wild zu retten.
    Zurück zu mir. Es erging mir wie so vielen Menschen - nicht wahr, Frau Brunner? Ich wurde afrikabesessen. Dieses merkwürdige Land hatte mich ganz und gar in seinen Bann geschlagen. Ich fuhr wieder hierher und wieder und wieder, jedes Jahr. Als mein Mann vor einigen Jahren starb, fuhr ich allein. Wenn ich zurück nach England kam, hielt ich Vorträge, setzte mich in Verbindung mit Wissenschaftlern, unterstützte Forschungsexpeditionen, ich tat eben das, was eine alleinstehende Frau tun kann. Ich machte Propaganda! Inzwischen haben andere Menschen das getan, was ich nicht konnte. Idealisten, Tierfreunde, Wissenschaftler, Forscher haben, zum Teil zusammen mit den neuen Regierungen, erreicht, daß die Tierbestände in mehreren Teilen Ostafrikas jetzt wieder zunehmen. Hier sind neue Naturparks errichtet, die Strafen für Wilderer sind schärfer geworden, immer mehr Leute werden als Wildhüter und Parkhüter ausgebildet. Jedes Jahr, wenn ich herkomme, gibt es Neues, worüber man sich freuen kann.“
    Sie schwieg. Die Pause dauerte lange. Dann sagte einer der jungen Fußballfans aus „meinem“ Wagen:
    „Aber empfinden es die Afrikaner denn nicht als Einmischung, wenn die Europäer und Amerikaner sich um ihre inneren Angelegenheiten kümmern?“
    „Zum Teil vielleicht. Aber sehen Sie, dies ist keine innere Angelegenheit! Wenn es den Italienern einfallen sollte, den Petersdom abzureißen und die Steine als Souvenirs zu verkaufen, würde die ganze Welt mit Recht laut aufschreien! Wenn man den Kölner Dom vernichten würde, um an seiner Stelle ein modernes Geschäftszentrum zu bauen - wenn man den Louvre zerstörte und aus seinen Steinen wahnsinnig teure Einfamilienhäuser baute, damit die Bewohner
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