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Rywig 02 - Hab Mut, Katrin

Titel: Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
Autoren: Berte Bratt
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und
    Beate Rywig nickte: „Und an die tägliche Arbeit und die täglichen Pflichten, nicht wahr?“
    „Und auch an das tägliche Vergnügen“, sagte Katrin ehrlich.
    „Und was nennen Sie Vergnügen?“ fragte Frau Rywig.
    „Nun, segeln und schwimmen im Sommer und im Winter schilaufen - und natürlich auch Auto fahren.“
    Frau Rywig schwieg ein Weilchen, dann zeigte ihre Miene wieder jenen Zug von Heiterkeit. „So, Katrin. Wollen Sie uns jetzt bitte in die gemütlichste Konditorei fahren, die die Stadt aufzuweisen hat, ich möchte Sie zu einer Tasse Vormittagstee einladen - oder auch Kaffee oder Eis oder was Sie mögen.“
    „Oh, wie himmlisch“, sagte Katrin, und wieder hatte ihre Stimme diesen neuen, weichen Klang.
    „Erzählen Sie doch bitte weiter!“ bat Katrin, als sie bei Tee und Gebäck einander gegenübersaßen.
    „Was soll ich denn erzählen?“
    „Von Ihren Kindern. Von der Tochter in England und der zu Hause - und von dem kleinen Stephan und - überhaupt von allen.“
    Frau Rywig lächelte und kramte in ihrer Tasche. „Hier, schauen Sie. Dies ist Sonja, die jetzt in England ist.“
    Katrin verschlang, das Bild mit den Augen. Es war ein lächelndes, munteres Mädchengesicht unter kurzgeschnittenem, blondem Haar.
    „Und hier ist Senta.“ Ein neues Bild wurde vor Katrin hingelegt. Sie schaute vom einen zum anderen.
    „Aber wie denn, das sind ja zwei verschiedene Aufnahmen vom selben Mädchen.“
    Frau Rywig lächelte über das ganze Gesicht. „Nein. Es sind zwei verschiedene Mädchen. Oder richtiger: zwei ganz und gar gleiche Mädchen. Sie sind Zwillinge, wissen Sie, und sie kleben zusammen wie Pech und Schwefel.“
    „Und nun ist nur die eine in England?“
    „Ja, das hat auch allerlei Mühe gekostet. Mein Mann und ich fanden, die Mädchen müßten lernen, für sich zu sein, sie müßten lernen, zwei selbständige Einzelwesen zu werden und nicht nur je eine Hälfte von einem Doppelbegriff. Arme Dinger, sie heulten um die Wette. Mein Mann sagte, dies sei die schlimmste Operation gewesen, die er je ausgeführt habe - er ist Chirurg und weiß, wovon er redet. Er behauptete, siamesische Zwillinge zu trennen, könne nicht so schwierig sein.“
    „Was macht Sonja denn jetzt in England?“
    „Ich habe das untrügliche Gefühl, daß sie im Augenblick dasitzt und einen ellenlangen Brief an Senta schreibt. Sonst aber ist abgemacht, daß sie der Hausfrau zur Hand geht und nebenher etwas mehr Englisch lernt, als sie in der Schule mitbekommen hat. Im nächsten Jahr bleibt sie zu Haus, und Senta geht ins Ausland.“
    „Und Senta, was macht die jetzt?“
    „Etwas, wofür Sie sicher Verständnis haben. Sie kocht.“
    „Kocht?“
    „Ganz recht. Sie war von jeher fürs Schlemmen und hat von ihrem zwölften Lebensjahr an in der Küche herumgemurkst. Als unsere Hausangestellte kürzlich heiratete und wir keine neue fanden, fragte Senta allen Ernstes, ob sie nicht das Kochen übernehmen dürfe - und wir machten den Versuch. Solange sie sich auf Fischklöße und Erbsensuppe und Pilzauflauf beschränkt, mag es angehen. Aber stellen Sie sich vor, das Mädel hat sich ein chinesisches Kochbuch angeschafft! Jetzt probiert sie lauter Gerichte aus, die ebenso sonderbar schmecken, wie sie heißen - ihre Namen sehen samt und sonders aus wie Druckfehler.“
    Frau Rywig lachte. Und dann holte sie noch ein weiteres Bild aus der Tasche. Es stellte einen schlanken, hübschen Jungen von zehn Jahren dar und einen stämmigen kleinen Burschen von drei neben ihm.
    „Der größere ist Hans Jörgen“, erklärte sie. „Er ist der einzige von meinen vier Stiefkindern, der mich Mutti nennt.“
    „Wie sagen denn die anderen?“
    „Bernt sagt Beate, und die Zwillinge sagen Beatemutti - Hans Jörgen sagt Mutti und der kleine Stephan Mammi oder Mammilein. Hans Jörgen nimmt seine Pflichten als großer Bruder sehr ernst. Früher war er ja der Kleine im Haus, und nun genießt er es, der Große zu sein. - Und dies ist der wirklich Große, Bernt. Er hat im vergangenen Jahr das Abitur gemacht und studiert jetzt Medizin. Dabei ist er noch nicht ganz neunzehn. Hier ist er zusammen mit meinem Mann.“
    Katrin behielt das Bild lange in der Hand. Zwei Männergesichter, die sich auffallend ähnlich waren. Klare, kluge Augen, hohe Stirnen, kräftige, gerade Augenbrauen.
    „Wie sehen sich die beiden ähnlich“, sagte Katrin. „Sie sehen aus, als verstünden sie sich ausgezeichnet. Tun sie das auch?“
    „Ja, das tun sie allerdings.
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