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Rywig 02 - Hab Mut, Katrin

Titel: Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
Autoren: Berte Bratt
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nur lachend zu. Dann war sie oben. Sie ging auf das Brett hinaus, es wippte unter ihr, an ihren Beinen kroch eine Gänsehaut hinauf - sie blickte nach unten, die Wasserfläche lag tief, tief unter ihr.
    Aber die Sonne schien, Katrin war jung und stark, und feige war sie nie gewesen. Und dort unten gab es ein Augenpaar, das ihr folgte
    - nein, viele Augenpaare, aber sie fühlte von all den Augenpaaren nur ein einziges auf sich ruhen.
    Die Menschen am Strand sahen, wie die schlanke Mädchengestalt sich reckte, sahen zwei kräftige Arme sich nach vorn strecken - und dann flog die Gestalt, gespannt wie eine Stahlfeder, mit ausgebreiteten Armen auf die Wasserfläche zu.
    Als sie wieder hochkam, war Bernt dicht neben ihr. Und dann schwammen sie nebeneinander auf das entferntest liegende Floß zu. Hier legte sich Katrin, so lang sie war, auf den Rücken und verschnaufte. Bernt hatte sich auf den einen Ellbogen gestützt und blickte zu ihr hinunter.
    „Du Katrin.“ Mehr sagte er nicht. In seiner Stimme war viel Zärtlichkeit.
    Sie lagen schweigend nebeneinander. Der Sommerhimmel wölbte sich funkelnd blau über ihnen. Mit einemmal begann Katrin zu reden.
    „Du, Bernt - weißt du, was ein Riesenglück ist? Daß du nicht zu Hause warst, als ich zu euch kam. Daß wir uns nicht eher kennengelernt haben.“
    „Deswegen bist du froh? Wie sonderbar.“
    „Ach Bernt, du ahnst nicht, wie unmöglich ich war. Ich war ungezogen und dumm und linkisch und hilflos, und dann war ich oft sehr unglücklich.“
    Bernt schüttelte den Kopf. „Wenn das stimmt, dann hast du dich allerdings verändert“, sagte er.
    Katrin lag noch immer auf dem Rücken und starrte zum Himmel hinauf, dann tastete sie nach Bernts Hand und fand sie.
    „Ja, ich habe mich verändert, zum Glück. Und das habe ich deinen Eltern und deinen Geschwistern zu verdanken, kurzum, deiner Familie. Siehst du, Bernt, bevor ich zu euch kam, hatte ich nie über irgend etwas gründlich nachgedacht, und am allerwenigsten hatte ich mir über mich selbst Gedanken gemacht. Das mußte ich lernen, und das war oft sehr schwer. Denn je mehr ich nachdachte, desto mehr schämte ich mich.“
    „Schämtest du dich?“
    „Ja. Aber das verstehst du vielleicht nicht. Denn du hast niemals Grund gehabt, dich deiner selbst zu schämen.“
    „Und das glaubst du? Liebe Katrin, es gibt keinen Menschen auf
    der ganzen Welt, der sich nicht ab und zu seiner selbst schämte.“
    „Ich habe aber so viel Anlaß. Ich dachte an die Jahre nach Vaters Tod. Die Jungen hoben mich in den Himmel, weil ich ihnen den Haushalt führte - aber, Bernt, wenn du ahntest, was für eine Schlampe ich gewesen bin. Wenn du wüßtest, wie oft ich die Arbeit schwänzte und lieber segeln ging und schwimmen und lauter Dinge, die mir mehr Spaß machten. Und niemand schalt mich deswegen aus. Niemand machte mir einen Vorwurf. Das Schlimmste aber war, daß niemand mir etwas beibrachte. Ich glaube, die Jungen dachten die ganze Zeit, wenn ich achtzehn wäre und meine Ausbildungsgelder ausbezahlt bekäme, wäre noch immer Zeit genug zum Lernen. Aber es war niemand da, der mir wenigstens anständige Manieren beibrachte. Sie ließen mich machen, wie ich wollte - das habe ich erst gemerkt, als ich zu euch kam. Und dann war es noch etwas. Weißt du, Bernt, ich freue mich sehr darauf, nach Eschenheim zu kommen. Ich freue mich darauf, Anja wiederzusehen. Denn ich habe viel an ihr gutzumachen.“
    „An Anja? Wieso denn das?“
    „Ja. Und an Andreas. Ach Bernt, ich bin so abscheulich zu ihnen gewesen. Als sie sich verlobten, war ich ein Ekel und unfreundlich -ich war schlecht und recht eifersüchtig. Ich wollte - ich wollte nicht abgeben, was - ja, was wollte ich nicht abgeben, wie soll ich es nennen -.“
    „Das Zepter“, lächelte Bernt.
    „Meinetwegen. Oder die Hausfrauenwürde, wenn du willst, die wollte ich nicht hergeben. Nicht eine Sekunde dachte ich daran, daß Andreas und Anja sich liebten. Nicht einen Augenblick dachte ich an sie, ich dachte nur an mich selber. Aber jetzt, jetzt weiß ich, was es heißt, einem Menschen gut zu sein. Jetzt habe ich es an mir selbst erfahren. Deshalb geht es mir erst richtig auf, wie abscheulich ich mich gegen Anja betragen habe. Und ich finde keinen Frieden, bevor ich das nicht wieder gutgemacht habe.“
    Bernt schwieg eine Weile. Dann sagte er langsam: „Katrin, ich bewundere dich.“
    „Was? Sagst du das auch - “
    „Auch? Wer sagt das denn sonst noch?“
    „Beatemutti. Einmal, als sie
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