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Ruth

Ruth

Titel: Ruth
Autoren: Frank G. Slaughter
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eine sehr männliche Art
nicht häßlich, und eine helle Narbe quer über seiner Wange zeugte von zumindest
einem gefährlichen Nahkampf. Er saß auf seinem schlanken schwarzen Pferd, als
ob er selbst ein Teil des Tieres wäre. Um seinen Hals trug er eine goldene
Kette, die ihn als Prinzen auswies, denn Hedak war Befehlshaber über sämtliche
Heere Moabs und der mächtigste Mann nach dem König.
    Aber selbst Hedaks
temperamentvolles Kriegspferd bewegte sich lustlos, denn der Tag war lang
gewesen, und sie hatten viele Meilen durch Hitze und Sand zurückgelegt. Hinter
dem moabitischen Anführer ritt eine schlanke graziöse Gestalt, die zum Schutz
gegen den Sand bis zu den Augen in einen Mantel gehüllt war.
    „Wie weit noch, Prinz Hedak?“
ließ sich die Stimme eines Mädchens aus der Tiefe seines Reitmantels vernehmen.
„Ich bin müde.“
    „Wir werden an der
Zufluchtsstätte lagern, Ruth“, versprach der Anführer. „Vielleicht sind noch
mehr Israeliten dort.“
    „Noch mehr?“ wiederholte das
Mädchen. „Was meinst du damit?“
    „Als ich gestern diesen Weg
entlangkam, stieß ich auf eine sehr schöne Israelitin mit ihrem moabitischen
Liebhaber“, erklärte Hedak, während er sich im Sattel umdrehte und das schlanke
Mädchen, das beinahe auf gleicher Höhe mit ihm ritt, betrachtete. „Wir töteten
sie beide.“
    Ruth streifte den Mantel von
ihrem Gesicht. Sie war etwa zwanzig und auffallend schön mit ihrem kupferroten
Haar und den hohen Wangenknochen, die ihre Herkunft von den Stämmen Edoms im
südlichen Teil des moabitischen Königreichs erkennen ließen. Die dunkelblauen,
warmen Augen schienen jetzt ein wenig von Müdigkeit getrübt. Wie bei allen
Moabiterinnen waren ihre Lider mit dunkler Farbe getönt und ihre langen Wimpern
geschwärzt. Vergeblich versuchte die weiße Farbe aus Antimon die Frische der
Wangen zu bedecken, und die Lippen hätten des Hauchs von Karminrot, der auf
ihnen lag, nicht bedurft. „Warum getötet?“ fragte sie. „Unsere Männer haben
schon früher Israelitinnen gefangengenommen. Es sind gute Sklavinnen.“
    »Der Mann war ein Offizier
meines Heeres. Sie könnte ihn dazu überredet haben, unsere Geheimnisse an
Israel zu verraten.“ Ruth lachte. „Ist es für die Israeliten ein Geheimnis, daß
du sie angreifen wirst, sobald du sicher bist, daß dein Heer das ihre übertrifft?“
    „Vielleicht nicht.“ Hedak
zuckte die Achseln. „Aber ich will in Moab keine Spione haben. Wenn meine Pläne
fertig sind, rücke ich gegen Israel vor, jedoch mit dem Vorteil eines
Überraschungsangriffs.“
    „Warum willst du überhaupt
gegen die Israeliten kämpfen?“ fragte sie. „Unser Land ist viel wohlhabender
und fruchtbarer als das ihre.“
    Hedak sprach leise. „Ich werde
dir etwas verraten, was ich bisher noch keinem gesagt habe, Ruth, nicht einmal
dem König.“
    „Warum willst du es mir dann
sagen?“
    „Weil es auch dich betrifft.“
    Ruth blickte überrascht auf.
Bevor sie etwas sagen konnte, fuhr Hedak fort: „Es sollte kein Geheimnis für
dich sein, daß ich dich als eine meiner Frauen begehre. Du mußt es schließlich
doch in meinen Augen gesehen haben.“
    „Ich habe wohl etwas in deinen
Augen gesehen“, gab Ruth lebhaft zurück. „Ich war jedoch bis jetzt nicht
sicher, ob es ein Wunsch nach Heirat war.“
    Hedak warf seinen Kopf zurück
und lachte schallend. „Gut gesprochen, Tochter Abinoths!“ rief er aus und
setzte mit leiserer Stimme hinzu: „Selbst ich gebe mich nicht der Illusion hin,
daß du unter anderen Bedingungen zu mir kommen würdest.“
    Ruth lächelte. „Da wir uns
jetzt verstehen, kannst du mir deinen Plan ganz enthüllen.“
    „Die Könige von Moab haben seit
Jahrhunderten versucht, die Städte und Häfen entlang des Großen Meeres zu
beherrschen — bisher ohne Erfolg. Wären es nur die Anhänger Jahwes, die ich zu
besiegen wünschte, so könnte ich dies vielleicht schon morgen erledigen, denn
sie sind wie Schafe geworden und hören nicht auf ihre Führer, nicht einmal auf
einen Mann wie Boas. Wenn aber die Heere Moabs westwärts über den Jordan in
Juda einfallen, dann werden wir nicht ruhen, bis der Abdruck unserer Füße im
Sand des Meeres zu sehen ist.“
    „Wie lange wird es dauern, bis
ihr bereit seid?“
    Hedak zuckte die Achseln. „Fünf
Jahre. Zehn. Es kommt nicht darauf an. Wenn so viel auf dem Spiel steht, kann
ich geduldig sein.“
    „Dann sollte ich mich wohl
geschmeichelt fühlen, daß du in Edom haltgemacht hast, um mich
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