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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl
Autoren: Brent Ghelfi
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Gorgon Jakowenko«, sagt er.

52
    Sie bringen mich auf dieselbe Wache an der Kosigina-Straße, in der Gromow verhört wurde, und stecken mich in eine etwa fünfzehn Quadratmeter große Gemeinschaftszelle. Die bodentiefen Gitterstäbe sind glitschig vom warmen Atem der Häftlinge, der in der frühmorgendlichen Kälte kondensiert. Die Leute hier sind der Abschaum der Verhafteten von letzter Nacht.
    Ein Junge mit einem Kobra-Tattoo am Hals kniet in der urinbefleckten Ecke, die Hände gegen die Wand gedrückt, und kotzt. Ein knochendürrer Transvestit mit leichtem Bartschatten, hohen Absätzen und einer schief sitzenden, verfilzten blonden Perücke schmiegt sich an die Gitterstäbe. Ein grinsender Gangster in einer offenen, mit Silberketten behangenen Lederweste schielt lüstern nach ihm und massiert sich den Schritt.
    Auf der anderen Seite des Käfigs liegt ein Betrunkener auf dem Boden, bewusstlos. Er stöhnt, als ich ihn mit der Stiefelspitze wegschiebe und mich mit dem Rücken gegen die Wand lehne. Bullen laufen den feuchten Steinflur vor den Gitterstäben entlang, aber keiner fragt mich, ob ich telefonieren will. Viktor muss sich ziemlich stark fühlen.
    Ich überdenke meine Lage so objektiv wie es mir möglich ist. Der General, Maxim, Lipman, Posnowa, Peter, die Politiker - fast alle Verbindungen sind erschreckend deutlich, obgleich noch Fragen offen sind. Die Wichtigste ist, warum der General sich mit Maxim verbündet hat - ein so starkes Bündnis, dass er bereit war, Valja und mich dafür zu opfern.
    Der Transvestit wimmert. Der Gangster hat ihn vor sich auf die Knie gezogen.
    Die Gitterstäbe erinnern mich an das Gefängnis, in dem ich einen Teil meiner Teenagerzeit verbrachte. Drei Jahre in einem Käfig mit Tieren, die sehr viel schlimmer waren als diese hier. Die Zeiten, in denen ich all dem hilflos ausgeliefert war, sind lange vorbei. Vielleicht lande ich wieder in einer Zelle, aber ich kann Einfluss nehmen auf das, was passiert. Der Gangster öffnet den Reißverschluss seiner Lederhose. Zwei große Schritte später bin ich bei ihm. Sein Haar fühlt sich glitschig in meiner Faust an. Ich reiße seinen Kopf so hart zurück, dass seine Füße vom Boden abheben und er rückwärts auf den Steinboden fällt.
    »Was zum …«
    »Halt’s Maul. Beweg dich nicht.«
    Er setzt sich auf.
    »Lass sie zu Frieden.«
    »Das ist keine Frau. Ich …«
    Mit einem bösen Tritt zwischen die Rippen schneide ich ihm das Wort ab. Er schreit auf und versucht sich zusammenzurollen. Mit dem nächsten Tritt breche ich ihm einen Knochen in der Hand, die er sich schützend vor die Leiste hält. Seine Schreie klingen jetzt höher.
    »Wenn sie eine Frau sein will, dann ist sie auch eine.«
    Diesmal ist er klug genug, nicht zu antworten.
    »Volkowoj!«
    Ich muss mich nicht umdrehen, um Viktors Stimme zu erkennen. »Lass sie zu Frieden«, sage ich dem Gangster, bevor ich mich umdrehe.
    Die Wächter legen mir Handschellen an. Viktor bringt mich in denselben fensterlosen Raum, in dem Gromow saß. Mit geübter Leichtigkeit löst er die Handschellen von meinen Gelenken, führt sie durch Öffnungen im Metallstuhl und lässt sie wieder zuschnappen. Er nimmt gegenüber von mir auf einem abgewetzten Holzstuhl Platz, beugt sich vor, die Ellbogen auf den Knien, und runzelt die Stirn.
    »Das sind ein ganzer Haufen Tote, Volk«, sagt er mit ernster Stimme. »Polizisten. Ganoven. Überall verteilt, von hier bis St. Petersburg. Und jetzt habe ich hier zwei tote Politiker, und mindestens einer davon geht auf dein Konto - das weiß ich. Und diesmal rettet niemand deinen Arsch.«
    Ich sehe weder Kameras noch Mikrofone. Die Handschellen sind stramm aber nicht unerträglich. Ich frage mich, wer hinter der Scheibe steht.
    »Du bist überall«, sagt er, »wie ein schlechter Geruch.« Er fasst sich an die Nase und macht sich nachdenklich daran zu schaffen. »Das geht jetzt schon seit Jahren so. Aber irgendwann bist du in die Scheiße geraten und dann - bamm! « Er schlägt die Hände zusammen. Der Knall hallt wider wie ein Gewehrschuss in einer kalten Nacht. »Irgendwie hat sich bisher immer jemand um dich gekümmert.«
    Die Wunde über meinem Stumpf brennt wieder. Ich verlagere mein Gewicht und spüre das warme Blut in meinen Unterschenkel fließen - in den Teil, der noch da ist. Ich hätte mir mehr Pillen von Vadim geben lassen sollen.
    »Warum bin ich hier?«
    Viktor lächelt. »Das habe ich dir doch gesagt. Wegen Mordes an Gorgon Jakowenko.«
    »Wer zum
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