Rush of Love - Erlöst: Roman (German Edition)
nicht erinnern, ihn je weinen gesehen zu haben. Zumindest seitdem er klein war nicht mehr.«
Er hatte geweint? Ich schloss die Augen und ließ die Erbsen in den großen Plastikeimer fallen, den Granny Q benutzte. Cain sollte nicht traurig sein. Er sollte nicht weinen. Schließlich hatte er mich schon vor langer Zeit ziehen lassen. Wieso machte ihm das Ganze so zu schaffen? »Wann genau war das?«, fragte ich und dachte an die Stunden, die vergangen waren, seitdem ich ihm auf dem Parkplatz der Apotheke mein Herz ausgeschüttet hatte.
»Hm, ich weiß es nicht genau. Es war auf jeden Fall noch früh. Der war völlig durcheinander, Mädchen. Such ihn am besten und sprich mit ihm. Egal, was du für ihn empfindest, er muss aus deinem Mund hören, dass alles okay ist.«
Ich nickte. »Darf ich dein Telefon benutzen?«, fragte ich und stand auf.
»Aber natürlich. Und wenn du schon drin bist, dann iss doch gleich mal einen von den Schmalzkuchen. Nachdem Cain heute Morgen davongestürmt ist, habe ich so viele gemacht, dass eine ganze Armee davon satt würde. Das ist seine Lieblingssorte«, sagte sie.
»Kirsche«, erwiderte ich, und sie lächelte. Ich konnte in ihren Augen so viele Dinge lesen. Ich kannte Cain. Nichts an ihm überraschte mich. Ich verstand ihn. Wir hatten eine gemeinsame Vergangenheit. Ich liebte seine Familie, und sie mich offenbar auch. Das gab Sicherheit.
Bethy stand auf der anderen Seite der Tür, nippte an ihrem Glas und hielt mir ihr Handy hin. Sie hatte gelauscht. Das überraschte mich kein bisschen.
»Ruf den Burschen an«, meinte sie. »Und bring’s hinter dich.«
Ich nahm ihr Handy und ging ins Wohnzimmer, damit ich meine Ruhe hatte, ehe ich Cains Nummer eingab. Ich kannte sie auswendig. Seit er mit sechzehn sein erstes Handy bekommen hatte, war es immer noch dieselbe.
»Hallo?«, meldete er sich. Ich hörte das Zögern in seiner Stimme heraus. Irgendetwas stimmte nicht. Es klang, als würde er durch die Nase sprechen.
»Cain? Alles okay?« Unvermittelt machte ich mir Sorgen.
Nach einer Pause seufzte er tief auf. »Blaire. Japp … alles super.«
»Wo steckst du?«
Er räusperte sich. »Ich, äh … ich bin in Rosemary Beach.«
Er war in Rosemary? Hallo? Ich sank aufs Sofa und umklammerte das Handy fester. Er verquatschte sich doch nicht etwa vor Rush? Mein Herz schlug mir bis zum Hals, und ich kniff fest die Augen zusammen, ehe ich fragte: »Wieso bist du in Rosemary Beach? Du hast doch wohl nicht … Bitte nicht …« Ich brachte es nicht über die Lippen. Nicht, da Bethy im Zimmer nebenan saß und höchstwahrscheinlich die Ohren spitzte.
»Ich musste sein Gesicht sehen. Ich wollte wissen, ob er dich liebt. Ich musste das wissen, weil … Ich musste es einfach wissen!«
»Was hast du ihm denn gesagt? Wie hast du ihn gefunden? Hast du ihn denn überhaupt gefunden?« Vielleicht war das ja gar nicht der Fall. Vielleicht ließ sich das Ganze noch abbiegen.
Am anderen Ende der Leitung war ein bitteres Lachen zu hören. »Ja, gefunden habe ich ihn allerdings. Der Ort ist ja nicht groß, und wo der Sohn des Rockstars wohnt, weiß hier jeder.«
Du meine Güte! »Was hast du ihm gesagt?« Mich packte das blanke Entsetzen.
»Ich hab’s ihm nicht gesagt. Für wen hältst du mich eigentlich? Das würde ich dir nie antun. Ich habe dich betrogen, weil ich ein hormongesteuerter Teenager war. Aber verflucht noch mal, Blaire, wann wirst du mir das endlich verzeihen? Muss ich mein ganzes restliches Leben für diesen Fehler büßen? Es tut mir leid! Gott, es tut mir so verdammt leid! Wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte, würde ich alles anders machen.« Er verstummte und gab ein Grunzen von sich, als hätte er Schmerzen.
»Cain? Was ist los mit dir? Alles okay?«, fragte ich. Zu seinen Worten wollte ich mich nicht äußern. Ich wusste ja, dass es ihm leidtat. Mir ja auch. Aber nein, ich würde nie darüber hinwegkommen. Vergeben war eine Sache, Vergessen eine andere.
»Ja, alles okay. Ich bin nur ein bisschen angeschlagen. Sagen wir’s einfach mal so, der Typ ist nicht gerade verrückt nach mir, okay?«
Der Typ. Rush? Hatte Rush ihn verletzt? Das klang so gar nicht nach Rush. »Welcher Typ?«
Cain seufzte. »Rush.«
Mir klappte die Kinnlade herunter. Rush hatte Cain verletzt? »Ich verstehe nicht …?«
»Schon okay. Ich habe mir hier ein Zimmer genommen und schlafe da jetzt einfach drüber. Morgen komme ich heim. Wir haben ein paar Dinge zu besprechen.«
»Cain, warum hat Rush dich
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