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Runlandsaga - Wolfzeit

Runlandsaga - Wolfzeit

Titel: Runlandsaga - Wolfzeit
Autoren: Robin Gates
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Hintergrund empor. Dieses Bild macht ihm Angst. Er erinnert sich an Schatten, die ihn durch die Straßen dieser fremdartigen Stadt verfolgten, während eine hasserfüllte Stimme sie anfeuerte, den Verräter nicht entkommen zu lassen. Eine Welle von Erleichterung schwemmt die bedrückende Furcht hinweg, als ihm wieder einfällt, dass ihm die Flucht gelang. Er weiß nicht mehr wie, aber sie fingen ihn nicht.
    Wer ist er?
    Etwas flammt in seinem Gedächtnis auf.
    Musik. Töne, die dem Sturm und dem Feuer gebieten, Lieder, die neues Leben entstehen lassen. Eine Harfe aus pechschwarzem Holz. Ein Falkenkopf an ihrer Spitze zwischen Hals und Säule stößt einen unhörbaren Schrei aus, und jetzt, als er seine Finger ausstreckt, um über das glatte Holz des Schnabels zu streichen, vernimmt er tatsächlich den lauten Schrei eines Falken, und das Bild verblasst.
    Nun fühlt er wieder deutlich, wie er fällt. Ein kalter Wind weht ihm die Haare aus dem Gesicht. Er fühlt sich an wie ... Federn?
    Vogelschwingen, dicht um ihn herum. Wieder ertönt ein Falkenschrei, die Stimme eines wilden Tieres, das unter einem wolkenlosen tiefblauen Himmel seine Kreise zieht und jagt. Es stellt keine Fragen nach seiner Herkunft. Es kümmert sich nicht um die Beute des morgigen Tages. Der morgige Tag ist für diesen Jäger, dessen Augen nicht die kleinste Bewegung im hohen Gras entgeht, nicht von Belang. Für den Falken gibt es nur den Moment seines Fluges und das Spähen nach dem Leben tief unter ihm, das er tötet, um sein eigenes Leben zu erhalten.
    Noch immer ist nichts als Dunkelheit um ihn herum, so pechschwarz und endgültig, als wäre jeder Gedanke daran, dass es jemals etwas anderes gegeben hätte, ein lächerlicher Kinderglaube. Trotzdem weiß er, dass er nicht mehr fällt, sondern fliegt. Er gleitet durch die Finsternis wie der Falke, dessen Schrei so unvermittelt durch seinen Verstand gellte. Alle seine quälenden Fragen verflüchtigen sich im Auf und Ab dieses Fluges. Er will nicht mehr wissen, was die Bilder bedeuten, die immer wieder wie Wetterleuchten am Horizont seines Verstandes aufflammen, Bilder von einer Frau mit kurzen, schwarzen Haaren und olivenfarbener Haut, deren Hände über seinen Körper streichen, von einem Kampf mit einem riesigen Bären und von einem stillen See, auf dessen nächtlicher Oberfläche sich die Sterne spiegeln, und zu denen er sehnsuchtsvoll hinaufblickt, während ihn eine tiefe Traurigkeit ergriffen hat, deren Grund er nicht versteht. Er lässt diese Gefühle und Bilder durch seinen Verstand ziehen und setzt seinen Flug fort, denn der Flug ist das Einzige, was zählt.
    Alles an Glück und Schmerz, was er jemals empfunden hat, liegt im Auf und Ab seiner Schwingen und in dem kristallklaren Falkenruf, der ihm voraus ins Unbekannte eilt.
    Er ist frei.
    Diese Erzählung findet im vierten Band
    der Runlandsaga ihr Ende.

Hinter dem Vorhang
    Liebe Leser, wir sind am Ende dieses Buches angekommen. Der Vorhang hat sich über den dritten Akt der Runlandsaga gesenkt, und alles, was bleibt, ist, wenn Sie möchten, eine kurzer Schlussakkord von und mit mir, der ich noch auf der leeren Bühne zurückgeblieben bin.
    Inzwischen arbeite ich bereits mit Hochdruck am Schluss dieser Saga über eine Welt, die mich in all den Jahren nicht losließ, seit ich irgendwann im Winter 1988 auf ein weißes DIN-A4-Blatt eine Landkarte zeichnete. Den Küstenlinien, Gebirgen und Wäldern folgten Namen. Und was wären Namen ohne dazu gehörende Hintergrundgeschichten? Damit begann der Zauber um Runland. Alcarasán würde es wohl »das Aussprechen der Schöpferischen Worte« nennen.
    Solche inneren Welten werden offenbar immer wieder auch über Zeichnungen lebendig. Vor kurzem las ich einen Bericht über die Entstehung des Romans »Die Schatzinsel« von Robert Louis Stevenson, eines großartigen Schriftstellers, der heute in der Öffentlichkeit leider hauptsächlich über dieses eine Buch bekannt ist. Auch hier fing alles mit der Karte einer fiktiven Insel an, die Stevensons Stiefsohn zu Papier brachte. Falls Ihnen übrigens die Zeit bis zum Erscheinen von Band 4 zu lang werden sollte, dann greifen Sie sich doch einige seiner Werke – »Kidnapped«, »Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde« oder »The Bottle Imp« zum Beispiel. Es lohnt sich, das können Sie mir glauben.
    Jener lausig kalte Winter, in dem meine eigene Schatzkarte entstand – die von Runland –, liegt nun schon lange zurück. Aber das alte DIN-A4-Blatt habe ich noch.
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