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Runenschild

Titel: Runenschild
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kleines bisschen
weiser, aber im Grunde unsere Herzens unterscheiden wir
uns gar nicht so sehr, wie du glaubst. Nicht alle von uns
sind der Meinung, dass die Menschen schon so weit sind,
selbst über ihr Schicksal zu bestimmen. Und vielleicht
haben einige von uns auch Geschmack an der Macht gefunden, die wir hier in dieser Welt haben.«
»So wie Morgaine?«, vermutete Lancelot.
»Der Streit ist so alt wie unser Entschluss, uns in die andere Welt zurückzuziehen«, bestätigte Merlin. »Es gibt
die, die glauben, die Menschen wären bereit für die Freiheit, und die, die der Meinung sind, sie brauchten noch
immer die Führung der Götter.«
»Morgaine und ihre Dunkelelben«, flüsterte Gwinneth.
»Und Mordred«, fügte Merlin hinzu. Seine Stirn umwölkte sich, als er den Namen aussprach, aber nur für einen Moment, dann erschien wieder die gleiche Mischung
aus Bedauern, Resignation und Schuld in seinen Augen.
»Sie wird siegen, Gwinneth. Artus und seine Armee ist
Mordred und seinen Barbarenhorden nicht gewachsen.
Mordred wird den Thron Camelots besteigen und das,
wofür die Tafelrunde stand, wird untergehen.«
»Aber Artus ist unbesiegbar!«, protestierte Gwinneth.
»Niemand hat seine Ritter je geschlagen!«
»Seine Macht war die des Grals«, antwortete Merlin.
»Als er verloren ging, zerbrach auch die Macht Camelots.
Sein Heer und das Morgaines und Mordreds treffen in
diesem Moment aufeinander und er wird verlieren. Und er
weiß es.« Lancelot hob den Kopf und sah das Abbild Merlins lange und schweigend an. Es war nicht wirklich Merlin, der vor ihnen stand, das erkannte er jetzt, denn auch
der uralte Zauberer, der in so vielen Gestalten über diese
Welt gewandelt war, hatte das magische Tor zur Insel der
Unsterblichen ein letztes Mal durchschritten. Es war nur
etwas von ihm, das er zurückgelassen hatte, damit es hier
auf sie wartete und ihnen ganz genau das sagte, was sie
nun hörten. »Du hast den Gral fortgebracht, habe ich
Recht?«
»Er war zu mächtig«, bestätigte Merlin. »Ich hätte ihn
Artus niemals geben dürfen. Auch er hat zu lange unter
den Menschen gelebt, um nicht den Geschmack der Macht
gekostet zu haben und Gefallen daran zu finden.«
»Und was sollen wir jetzt tun?«, fragte Gwinneth. Sie
begann wieder zu schluchzen, doch ihre Augen blieben
trocken, als hätte sie alle Tränen, die sie besaß, schon geweint.
Merlin antwortete nicht, aber Lancelot löste behutsam
seinen Arm von Gwinneths Schulter, stand auf und wandte
sich dann ganz dem Magier zu. »Die Entscheidungsschlacht tobt in diesem Moment?«
»Die erste Schlacht ist bereits vorüber«, antwortete Merlin. »Vergiss nicht, dass die Zeit hier einem anderen Willen gehorcht als oben in der Welt der Menschen. Mit Tintagel hat Artus eine starke Festung, in die er sich zurückziehen und dem Gegner noch eine Weile standhalten kann,
aber am Ende wird auch sie fallen.«
»Dann wird Mordred gewinnen und tausend Jahre Dunkelheit werden sich über die Welt der Menschen senken«,
flüsterte Gwinneth. Auch sie stand auf. Noch einmal drehte sie sich um und blickte das offen stehende Tor auf der
anderen Seite des Sees an, das Paradies, das zum Greifen
nahe vor ihnen und doch unerreichbar weit weg lag. Dann
drehte sie sich wieder um, trat an Lancelots Seite und ergriff mit festem Druck seine Hand.
»Da ist noch eine Frage, die du mir stellen willst, mein
junger Freund«, sagte Merlin.
»Ja«, antwortete Lancelot. »Warum töten Elben keine
Elben?«
Merlin sagte es ihm.
    Die Schlacht war nahezu vorüber, als sie die Höhle verließen und sich auf den Weg zur Küste hinauf machten.
Schwarzer Rauch hing über den Zinnen Tintagels, und
obwohl sie nur die Rückseite der Burg sahen, wusste Lancelot doch, dass ihre stolzen Mauern und Türme in Trümmern lagen. Er hätte den Qualm und den Feuerschein nicht
sehen, das Prasseln der Flammen und die Schreie der Sterbenden nicht hören müssen um zu wissen, dass die mächtige Festung zusammen mit ihren Verteidigern starb. Es
dämmerte, aber der Himmel hatte sich so sehr mit schweren, tief hängenden Wolken voller Schnee bezogen, dass
er nicht sagen konnte, ob es Morgen oder Abend war, und
der Wind schien wieder kälter geworden zu sein und hatte
auch an Kraft zugenommen; und es kostete Lancelot fast
jedes bisschen Energie und Willen, die er aufbringen
konnte, den schmalen Felsenpfad zur Küste hinaufzusteigen und Gwinneth dabei auch noch mit sich zu ziehen,
denn die unsichtbare
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