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Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Titel: Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
Autoren: Delacroix Claire
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denn eine von meinem eigenen Fleisch und Blut würde sich niemals so schamlos benehmen.“
    Damit wandte er sich zur Tür, doch so leicht ließ Sophie ihn nicht davonkommen. Er hatte eben etwas Wichtiges angedeutet, und bevor er sich davonmachte, musste die Wahrheit auf den Tisch.
    Auch sie sprang auf. „Was willst du damit sagen?“, rief sie ihm energisch nach.
    „Was ich damit sagen will?“, wiederholte ihr Vater fassungslos und wirbelte zu ihr herum. „Willst du’s wirklich wissen? Gut, dann lass dir reinen Wein einschenken, damit zwischen uns keine Frage mehr offenbleibt.“ Seine Stimme senkte sich unheilvoll, sodass Sophie schon überlegte, ob sie die Wahrheit wirklich von ihm hören wollte.
    „Du bist nicht von mir gezeugt“, verkündete er, die Augen zu splitterschmalen Schlitzen verengt. „Du bist vielmehr ein Kind der Walpurgisnacht, gezeugt beim Tanz in den Mai. Geboren aus Ungemach und dazu bestimmt, nichts weiter als Unheil zu bringen. Das sagte ich Hélène schon damals.“
    Fest legte er seiner Frau die Hand auf die Schulter. Sophie sah ihre Mutter an, überzeugt, dass diese es abstreiten werde, doch deren Blick war zu Boden gesenkt – ein stummes Zeichen der Bestätigung. „Hélène hatte schon immer ein weiches Herz“, fuhr Gaillard fort. „Und sie sehnte sich nach einer Tochter, die uns bis dahin versagt geblieben war. Aus reiner Barmherzigkeit lauschte sie den Ammenmärchen, die deine leibliche Mutter ihr vorjammerte. Aus lauter Mitleid hat sie dich als Säugling in unsere Heimstatt aufgenommen, all meinen Bedenken zum Trotz.“
    Er stellte sich hinter seine Frau und packte ihre Schultern fest mit beiden Händen. Allmählich verrauchte wohl sein Zorn, denn Sophie sah, wie er fast geistesabwesend ihren Nacken mit den Daumen liebkoste. Mit stockendem Atem begriff sie, dass sie nie ein ererbtes Recht auf die Liebe gehabt hatte, die in diesen vier Wänden wohnte.
    „Ja, Mitleid, dass es kaum noch zu ertragen war“, sinnierte Gaillard und durchbohrte Sophie plötzlich mit einem Blick, der bis auf den Grund ihrer Seele drang. „Doch liegt es dir wohl im Blut, Kind, dass du den Männern die Köpfe verdrehst. So wie das Weib, das dich empfing, einen Mann verhexte und seinen Samen raubte.“
    „Ihr … ihr seid nicht meine Eltern?“, stammelte Sophie und kämpfte mühsam gegen die Tränen an, die sie schier zu ersticken drohten. Als Gaillard ihre Frage mit einem knappen Nicken bejahte, fing sie jedoch an zu schluchzen.
    „In deinen Adern fließt nicht unser Blut“, bekräftigte er tonlos.
    „Und die anderen?“, würgte sie hervor.
    „Meine Söhne sind mein eigen Fleisch und Blut“, entgegnete er und bestätigte damit nur, was Sophie ohnehin bereits klar war. In Tränen aufgelöst floh sie aus der Küche.
    „Sophie!“, rief Hélène ihr noch nach, doch sie hörte nicht mehr. Ihr schwirrte der Kopf vor lauter Fragen, auf die es keine Antwort gab. Je deutlicher ihr bewusst wurde, wie sich die Teile zu einem Ganzen zusammenfügten, desto mehr kam sie zu der Erkenntnis, dass Gaillard ihr die Wahrheit gesagt hatte. Nun hatte sie bloß noch einen Gedanken: Fort, nur fort, um Zeit zu gewinnen und nachzudenken. In ihrer Mansarde angelangt, schlug sie erleichtert die Tür hinter sich zu und warf sich haltlos weinend aufs Lager.
    Als ihr Schluchzen endlich verebbte, lag die Kammer bereis in völlige Dunkelheit gehüllt. Langsam richtete Sophie sich auf und wischte sich die letzten Tränenspuren von den Wangen. Während sie den Blick durch das vertraute Zimmer streifen ließ, dachte sie abermals darüber nach, was es für sie bedeutete, nicht in diese Familie hineingeboren zu sein.
    Unterschied sie sich denn wirklich so sehr von den übrigen Familienmitgliedern, obwohl sie unter ihnen aufgewachsen war? Wieder und wieder hatte sie über die Jahre das unbestimmte Gefühl gehabt, dass sie nicht so recht dazugehörte. Jetzt fragte sie sich, ob diese Ahnung bloße Einbildung war oder eine Tatsache.
    Foppte Ramonet sie denn nicht unaufhörlich damit, sie verliere sich dauernd in Tagträumereien, einer Beschäftigung, die allen anderen, eher praktisch veranlagten Mitgliedern dieses Haushalts fremd war? Jetzt konnte sie auch nachvollziehen, wieso ihre Mutter so bestürzt dreinschaute, als Sophie ihr zum ersten Malden Trauman vertraut hatte. Setzte sich nun tatsächlich ihre wahre Natur durch, so wie Gaillard es behauptete?
    Sie warf das Haar über die Schulter und verzog das Gesicht, als sie an die
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