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Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33

Titel: Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
Autoren: Delacroix Claire
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von Melusine de Saint-Lazare und Amaubin de Lorient als meine Ehefrau an und gelobe, dich zu ehren und zu lieben …“
    Es sollte noch lange dauern, bis Sophie in den Genuss ihres Liedes kam. Sie lächelte schlaftrunken, als Hugues sie sorgsam aus dem Gewirr von abgelegten Kleidungsstücken hob. Rücklings gegen einen der Steine gestützt, setzte er sich Sophie so zwischen die Beine, dass sie mit ihrem Rücken an seinem Brustkorb lehnte und beide hinaus auf die See blicken konnten. Dann umhüllte er sich und Sophie mit seinem Mantel, schlang die Arme um sie, schmiegte sie an sich und küsste ihr Haar. Und dann hob er zu singen an.
    Diesmal war es eine Ballade, die er zum Besten gab – romantische Verse, bei denen Sophie versonnen in sich hineinlächelte. Versunken in seine tiefe Stimme, ergab sie sich ganz seiner liebevollen Umarmung und fühlte noch tief im Schoß jenen so wundersam beglückenden Schmerz.
    Da fiel ihr flüchtig eine Bewegung am Strand auf, und als sie eher beiläufig dorthin blickte, weiteten sich plötzlich ihre Augen. Eine weibliche Gestalt war dort zu erkennen, die geradewegs auf das Wasser zuging. Am Rand angekommen, ließ sie den Mantel fallen und schritt ohne Zögern auf die Wellen zu. Ihre Haut schimmerte bleich im Mondlicht, und das dunkle Haar fiel bis zu den Knien. Vorsichtig hielt sie den Zeh ins Wasser, als wolle sie prüfen, wie kalt die salzigen Fluten seien, bevor sie sich ganz hineinbegab. Die ganze Zeit sang Hugues unvermindert weiter. Offenbar sah er die Frau nicht, obwohl sie ganz in der Nähe war. Sophie fragte sich schon, ob ihr die Fantasie wohl wieder etwas vorgaukelte.
    Als ahne sie Sophies Gedanken genau, wandte die Frau sich in diesem Moment um und lächelte, ganz so, als wolle sie Sophies Bedenken zerstreuen. Ein allzu vertrauter Blick verfing sich mit dem ihren.
    Vor Staunen blieb Sophie der Mund offen stehen, doch Melusine drehte ihr wieder den Rücken zu und watete nun hinein in die Fluten. Höher und höher stieg das Wasser; das schwarze Haar der Frau breitete sich wie ein dunkler Mantel über die Oberfläche, während sie unvermindert weiter voranschritt.
    Als ihr das Wasser dann bis zu den Schultern reichte, schlug Sophie erschrocken die Hand auf den Mund, und um ein Haar hätte sie einen Warnruf ausgestoßen. Dass sie es nicht tat, lag einzig daran, dass nur sie allein die nun rasch untertauchende Gestalt bemerkte. Ohne einmal innezuhalten, watete Melusine weiter, und noch als die Fluten über ihr zusammenschlugen, kam es Sophie so vor, als könne sie sehen, wie sie unablässig weiterging. Am Ende verschwand auch ihr Haar von der Oberfläche des Meeres, versunken in den Tiefen der See.
    Sie war fort.
    Sophie befühlte die Silberbrosche, die Hugues an ihrem Mantel befestigt hatte, um ihr eheliches Gelübde damit zu besiegeln. Allmählich begriff sie, was sie soeben gesehen hatte. Es war ein Zeichen, dass Melusine diese Welt verlassen hatte. Jetzt hielt Sophie es sogar für denkbar, dass ihre Mutter möglicherweise den Waldbrand doch überlebt hatte. Sonst hätte die Ephemeris eigentlich nicht hier in Vannes auftauchen können.
    Was war wohl aus Melusine geworden? War dies nur eine weitere Mär, deren Ende noch niemand wusste?
    Und was war mit ihrem Nachlass, den sie Sophie hinterlassen hatte? Sophie war klar, dass ihr Lernen gerade erst begann und dass Melusine sie auf eine Suche nach Erkenntnis geschickt hatte, die ein ganzes Leben andauern würde. Einmal mehr bewunderte sie das großzügige Geschenk ihrer Mutter, und bei dem Gedanken, dass sie bei Kinderlosigkeit niemanden auf die gleiche Weise beschenken konnte, blieb ihr beinahe das Herz stehen.
    Dann aber erinnerte sie sich an die kleine Alexandria, das Kind von Louise und Jean. Auf einmal ging ihr auf, warum sie in ihrer Vision der Geburt beigewohnt hatte: Auch das war ein Zeichen, ein Hinweis auf ein gemeinsames Schicksal. Hatte Louise sie nicht inständig gebeten, das Mädchen im Notfall unter ihre Fittiche zu nehmen? In diesem Augenblick wurde Sophie mit bemerkenswerter Sicherheit klar, dass dieses Kind so etwas wie ihr eigenes werden würde, auch wenn sie noch nicht wusste, wie, warum und wann dies sein mochte.
    Und dieses Vermächtnis würde noch eine volle Generation lang gelten. Es machte auch nichts, dass das Kind kein Mal der Melusine trug, denn lernen würde die Kleine trotzdem. Vielleicht war die Zeit solcher Erkennungszeichen vorbei, ebenso wie die Tage verwunschener Wälder, ob es nun wirklich
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