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Ruf der Geister (German Edition)

Ruf der Geister (German Edition)

Titel: Ruf der Geister (German Edition)
Autoren: Tanja Bern
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wir etwas herausgefunden haben.“
    Ihr werdet nichts finden , dachte Joshua.
    Erich folgte seinen Kollegen in das verlassene Gebäude und Joshua fiel es schwer, sich von dem A nblick der zersplitterten Scheiben zu lösen. Abrupt riss er sich los und fuhr wie gelähmt zurück zum Jugendamt. Es musste ein Bericht geschrieben und die Akte geschlossen werden. Außerdem würde er die Eltern benachrichtigen müssen.
    Als er in sein Büro stürmen wollte, hielt Hannah ihn auf. Joshua schüttelte nur den Kopf und sie seufzte betroffen.
    „Josh, wir wussten, dass Lisbeth labil ist. Du hast so viel für sie getan!“
    Nicht genug , dachte er.
    „Ich sag es den Eltern. Das musst du dir wirklich nicht antun.“
    „Es wird sie eh nicht interessieren, Hannah.“
    „Ich weiß.“
    Joshua stolperte in sein Büro und zündete sich trotz Rauchverbot eine Zigarette an. Langsam setzte er sich vor den PC und schrieb seinen Bericht über den Vorfall. Die Leere, die sich wie eisige Kälte in seinem Inneren ausgebreitet hatte, wollte nicht weichen, schien ihn zu erdrücken.
    Die Tür ging leise auf, Joshua sah nicht hoch.
    „Josh?“ Sein Chef Björn Kusack stand vor ihm. „Geh nach Hause.“
    „Ich muss noch …“
    „Josh! Geh nach Hause! Du kannst das morgen erled igen.“
    „Jemand muss nach Julian sehen. Er hat heute um drei den Besichtigungstermin wegen der Wohngemeinschaft.“
    „Ich mach das.“
    Joshua gab sich geschlagen und nickte. Langsam erhob er sich, zog schweigend seine Jacke an und verließ das Amt. Draußen verharrte er und starrte auf die vorbeifa hrenden Autos. Passanten liefen eilig die Hauptstraße entlang und an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen. Ein Kind trotzte, weil es seinen Willen nicht bekam, und eine Taube flatterte vor ihm auf. Aber niemand beachtete ihn.
    Alles ging seinen gewohnten Gang – so unbegreiflich es ihm erscheinen mochte.
    Lisbeth würde im Frühling keine Bäume erblühen sehen, obwohl sie die Kirschblüte so geliebt hatte. Sie wü rde nie wieder am Berger See die Vögel beobachten, nie wieder sein Handy verstellen, nie wieder …
    Joshua schluchzte auf und hielt sich die Hand vor den Mund. Niemand sollte seinen Schmerz sehen, er gehörte ihm allein.
    Rasch lief er zu seinem Auto und fuhr zurück nach Gelsenkirchen-Erle. Den Wagen parkte er vor seiner Wohnung, die sich im Zweifamilienhaus einer ruhigen Seitenstraße der Siedlung befand. Er ging jedoch nicht ins Haus, sondern lief durch einen schmalen Weg, der zu dem kleinen Spaziergebiet führte, das er so mochte. Einige Hundehalter liefen über die kiesbestreuten Wege und grüßten ihn. Kaninchen huschten zurück in die Gebüsche, als er an ihnen vorbeiging.
    Joshua steuerte den Spielplatz an und nahm erleichtert zur Kenntnis, dass sich nur ein Kind dort aufhielt. Das Mädchen war allein und spielte gedankenversunken im Sand. Zunächst beachtete er es nicht und setzte sich auf die Kinderschaukel. Es war im egal, was die Spaziergä nger von ihm dachten. Er war einfach gern hier.
    Sacht ließ er die Schaukel hin und her schwingen.
    Lisbeth war nicht aus seinen Gedanken zu verbannen. Innerlich sah er ihr trauriges Lächeln, ihr blasses Gesicht. Drei Jahre hatte er versucht, ihr zu helfen, in der letzten Zeit sogar die Hoffnung gehegt, dass sie es schaffen kön nte, ein normales Leben zu führen. Joshua hatte Lisbeth zu einer Therapie überredet, sie dorthin begleitet. Er besorgte ihr Decken und Medikamente, war ständig für sie da –ihre Eltern hatten das Mädchen zerstört. Lisbeth war Ballast für sie gewesen, flüchtete mit fünfzehn und fand in der verlassenen Halle des Baumarktes einen heimlichen Unterschlupf, wo sie aber auch stets mit dem Risiko lebte, von dem Besitzer des Gebäudes entdeckt zu werden. Wie oft Joshua versucht hatte, sie in einer betreuten Wohngemeinschaft unterzubringen, wusste er nicht mehr genau.
    Ein Kribbeln im Nacken ließ ihn aufschauen. Eine alte Frau stand plötzlich neben dem Mädchen, sah voller Sehnsucht auf es hinunter. Die Kleine würde die Frau nicht sehen können, das war Joshua augenblicklich klar. Als der Geist aufsah, lächelte Joshua ihr zu. Vielleicht war es die verstorbene Oma?
    Seine Gedanken schweiften zurück zu seinem Schützling. Abrupt stand er auf und ging schnellen Schrittes über die Wiese.
    Ich muss Lisbeth loslassen , dachte Joshua resigniert.
    An dem kleinen Bach auf der anderen Seite des Weges saß ein Junge. Mit einem Stock stocherte er im Wasser. Seine Haut war blass und er
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