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Rücksichtslos

Rücksichtslos

Titel: Rücksichtslos
Autoren: Kirsten Slottke
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verstummte, seine Schultern zuckten, und er schien in sich zusammenzufallen.
    Die kleine Rothaarige hatte die Szene ebenfalls beobachtet, und ihre Augen weiteten sich entsetzt. Katharina überlegte fieberhaft, wie sie gegen diesen grobschlächtigen Mann und Deborah etwas ausrichten könnte.
    „ Und jetzt zu dir, du Schnüfflerin.“ Hagen baute sich vor ihr auf. „Du hältst dich wohl für sehr schlau.“
    „ Überlass sie mir“, säuselte Deborah, schob Hagen sachte zur Seite und steckte sich eine weitere Spritze in die Brusttasche ihrer Bluse.
    Katharina beäugte sie und warf einen flüchtigen Blick auf die Wanduhr über der Tür. Waren erst fünf Minuten vergangen, seit sie in diesen Operationssaal gebracht worden war? Operationssaal – genau daran erinnerte sie der Raum.
    „ Es kommt niemand. Garantiert nicht.“ Deborah lachte leise.
    „ Wie habt ihr es gemacht? Über die Gebärmutter oder habt ihr ein anderes Verfahren gefunden?“
    Hagen warf ihr einen erstaunten Blick zu. „ In utero“, antwortete er monoton.
    „ Gentherapie über die Gebärmutter. Mit Herpesviren?“
    „ Und harmlosen Erkältungsviren als Träger der veränderten Gene. Wir experimentieren mit verschiedenen Viren.“
    „ Was wollten Sie erreichen? Perfekte Kinder ist meine Vermutung.“
    „ Wer will kein perfektes Kind?“
    „ Was ich überhaupt nicht verstehen kann: Warum haben S ie keine perfekten Embryonen im Reagenzglas gezüchtet?“
    „ Diesen Schritt haben wir schon hinter uns. Das ist ja einfach.“ Deborahs hübsches Gesicht verzog sich zu einer Fratze. Mehr und mehr glich sie einer Hexe. „Die eigentliche Herausforderung liegt darin, bereits gezeugte Embryos zu perfektionieren. Groß, stark, intelligent, schlank und gutaussehend ohne Neigung zu Krank heiten.“
    „ Und den kleinen Jungen mit den sechs Fingern haben Sie umgebracht, weil er nicht perfekt war? Widerlich!“
    „ Genug philosophiert“, kreischte Deborah mit weit aufgerissenen Augen. Sie fuhr sich über den Kopf, sodass ihre ansonsten perfekt frisierten Haare wirr abstanden. „Wir hatten nirgendwo die Möglichkeit erhalten, unsere Forschung an menschlichen Embryos und Föten zu vervollkommnen. Diese ignoranten Ethiker. Und mein Jürgen war auch noch der Schlimmste von a llen. Komm jetzt mit.“
    Deborah packte sie am Arm. Hagen hielt die Pistole weiter auf sie gerichtet.
    „ Eine Frage hätte ich noch. Wo sind die anderen Babys?“
    „ Nachdem wir sie gründlich untersucht haben, verkaufen wir sie an kinderlose Paare in Deutschland, die bereit sind, sich ihren Traum vom Baby was kosten zu lassen. Wir versorgen sie mit falschen Geburtsurkunden, damit sie die Babys als ihre eigenen Kinder ausgeben können – alles gut geplant und durchdacht, Frau Kommissarin. Da wir die Eltern wegen illegaler Kinderaneignung in der Hand haben, erfüllen sie bereitwillig unsere Bedingung, dass wir die Kinder in regelmäßigen Abständen hier untersuchen und unsere Tests durchführen können.“
    So etwas in der Art hatte Katharina vermutet. Als Deborah sie fester packte, wehrte sie sich. Die brauchten nicht zu glauben, dass sie kampflos aufgab. Doch im nächsten Moment spürte sie das kalte Metall der Pistole in ihrem Nacken.
    „ Nein!“, erklang der entsetzte Schrei der kleinen Rothaarigen.
    Sie wollte Katharina zu Hilfe eilen. Gerold Hagen drehte sich kaltschnäuzig um und richtete die Waffe auf die Frau.
    „ Dich müssen wir eh loswerden. Leider.“ Doch seine gefühllose Miene strafte dieses Wort als Lüge.
    Er drückte ab. Der Knall war ohrenbetäubend. Kurz darauf brach das Chaos los.
     
    *
     
    Die Einsatzfahrzeuge kamen zum Stillstand. Augenblicklich sprangen Thomas, Alfred und die Männer der Spezialeinheit aus ihren Autos. Es herrschte tiefdunkle Nacht. Sie standen vor einem über zwei Meter hohen Metallzaun. Dahinter befand sich eine genauso hohe Thujahecke. Durch ein Tor hindurch erspähten sie ein eineinhalbgeschossiges Haus. Überall schien Licht durch die Fenster, doch sie konnten keine Bewegungen ausmachen.
    „ Wo sind wir hier?“, fragte Philipp flüsternd.
    „ Südlich von Bad Vilbel beginnt ein Wald. Wir sind auf der anderen Seite dieses Waldes.“
    Jürgen Hagen hatte ihnen vorgeschlagen, Deborahs Mobiltelefon zu orten. Das wäre für ihn der letzte Beweis, dass seine Frau tief in der ganzen Geschichte steckte. Wobei er selbst es im Prinzip schon gewusst hatte. Nur hatte er sich das, wie er zugab, bislang nicht eingestehen wollen. Die
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