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Rueckkehr nach Glenmara

Titel: Rueckkehr nach Glenmara
Autoren: Heather Barbieri Sonja Hauser
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Abbild, das im Lauf der Zeit verblassen, verloren oder kaputtgehen würde. Dann wäre sie ganz auf ihr alles andere als zuverlässiges Gedächtnis angewiesen.
    Wenn Fergus in jenen frühen Tagen nicht bei ihr gewesen wäre, als nichts mehr sie auf der Erde zu halten schien, hätte sie nicht gewusst, wie es weitergehen sollte. Doch er blieb an
ihrer Seite, schlief am Fußende ihres Betts, folgte ihr durchs Haus, leckte ihre Hand. Wenn sie wieder einmal am Abgrund stand, sagte er ihr mit einem leisen Winseln: Bleib.
     
    »Na, was sehen meine feuchten Augen?«, rief Denny ihnen nach, als Kate und Bernie an der Bank vor dem Pub vorbeigingen, auf der er und Niall an den meisten Abenden nach ein paar Runden Darts und Ale saßen. Seit etwa zehn Jahren waren sie unumschränkte Herrscher dieser Bank. Niemand, nicht einmal Rosheens Gang, machte sie ihnen streitig. In letzter Zeit war Dennys Gesicht schmaler geworden, und sein Atem ging pfeifend wie bei einer Ziehharmonika. Nialls stetig wachsender Bauch hingegen zeugte von seiner Vorliebe für Süßes. Er wusste, dass er weniger Rhabarber- und Orangenkuchen verzehren sollte, meinte aber, in seinem Alter essen zu können, was er wollte, ungeachtet des Kalorienoder Cholesteringehalts.
    Die Bank war seit Menschengedenken das Refugium der alten Männer von Glenmara. Denny und Niall hatten Eamon und Greeley zehn Jahre zuvor nach deren Tod abgelöst. Die Bank entsprach den besten Plätzen bei einem Fußballspiel, weil man von hier aus alles im Blick hatte. Niall war seit dem Ableben seiner Frau ein paar Jahre zuvor allein und fühlte sich in seinem Cottage einsam; Denny wollte sich einen Rest Unabhängigkeit von seiner Tochter Oona bewahren, mit der er zusammenlebte, seit er Witwer war. So verbrachten die beiden Männer einen großen Teil des Tages auf eben jener Bank und bedachten jeden, der vorbeikam, mit ihrer Meinung zu Wetter, Rugby und was das Leben sonst noch zu bieten hatte.

    Bernie trug den fast noch vollen Korb mit Spitzensachen am Arm. (Irgendwie würde sie schon zurechtkommen. Da war ja noch Johns Rente.) Aileen hatte die schwereren Dinge – die Markise, den Tisch und die Stühle – in ihren Wagen geladen und schüttelte auf der Heimfahrt noch einmal den Kopf über Bernies Vertrauensseligkeit einer Wildfremden gegenüber. Hoffentlich ermordet sie dich nicht im Schlaf , hatte sie ihr zugeflüstert.
    »Zwei hübsche Damen machen einen Spaziergang«, bemerkte Niall.
    »Und zwei alte Charmeure nutzen die Gunst der Stunde«, erwiderte Bernie.
    »Was sonst sollte man an einem Abend wie diesem tun, als sich ein Guinness genehmigen und die Aussicht genießen?«, fragte Denny.
    »Die beiden waren zu ihrer Zeit der Schrecken des Orts«, erzählte Bernie Kate. »Höllische Autofahrer und Herzensbrecher.«
    »Klingt aufregend«, meinte Kate mit einem gewinnenden Lächeln.
    »Wär’s nach wie vor, wenn meine Tochter mir nicht immer den Wagen wegnehmen würde«, sagte Denny und hielt die Uhr mit seinen arthritischen Fingern ganz nah an die Augen (er weigerte sich, eine Brille zu tragen, weil sie seiner Ansicht nach sein Aussehen ruinierte). »Gleich kommt sie und bringt mich nach Hause. Spaßverderberin.«
    »Ach, wenn wir doch nur ein bisschen jünger wären.« Niall wischte sich die Nase mit einem karierten Taschentuch ab. Ihm fehlte der kleine Finger, den er als Junge bei einem Angelunfall verloren hatte. Der »neunfingrige Niall« wurde
er seitdem genannt. »Was für ein Leben wir dann hätten: tanzen und singen.« Er begann aus voller Brust »Irish Rose« zu schmettern.
    Denny zuckte zusammen. »Gütiger Himmel, willst du, dass ich noch das letzte bisschen Gehör verliere?«
    »Du bist doch bloß neidisch, weil ich es fast auf die Bühne geschafft hätte. Da hätten mir die Mädchen zu Füßen gelegen.«
    »Ja, aber nicht weswegen du denkst. Deine Serenaden verführen keine Damen, sondern verschrecken sie eher.«
    »Kunstbanause.« Niall rümpfte verächtlich die Nase.
    »Kunst? Du könntest dich am Pier aufstellen und in nebligen Nächten den Schiffen den Weg weisen.«
    »Wenn ich nicht so alt und betrunken wäre, würde ich dir für diese Bemerkung eine knallen.« Niall drohte ihm mit der zitternden Faust.
    »Wir haben uns doch darauf geeinigt, dass es so weit nicht mehr kommt.«
    Das letzte Mal waren sie elf Jahre zuvor in Streit geraten, weil Denny Niall Schummeln beim Darts vorgeworfen hatte. Dabei waren Nialls Gebiss und Dennys Nase zu Bruch gegangen. Danach hatten sie
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