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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben
Autoren: Ishmael Beah
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People’s Party (SLPP). Sein Halbbruder Sir Albert
    Margai war bis 1967 sein Nachfolger, bis Siaka Stevens, der Anführer des All People’s Congress (APC), die Wahlen ge-wann, was einen Militärputsch auslöste. Siaka Stevens kam 1968 erneut an die Macht und erklärte Sierra Leone zum
    Einparteienstaat, wobei der APC die einzig legale Partei war.
    Das war der Beginn der »schlechten Politik«, wie mein Vater meinte. Ich fragte mich, was er zu dem Krieg sagen würde, vor dem wir nun flohen. Ich hatte von Erwachsenen gehört, dass es ein revolutionärer Krieg war, eine Befreiung der Menschen von der korrupten Regierung. Aber welche Be-
    freiungsbewegung erschießt unschuldige Zivilisten, Kinder, das kleine Mädchen? Niemand konnte mir diese Fragen beantworten, und mein Kopf schien bis zum Bersten gefüllt mit all diesen Bildern. Während wir gingen, begann ich, mich vor der Straße, vor den Bergen in der Ferne und dem Busch auf beiden Straßenseiten zu fürchten.
    Wir erreichten Mattru Jong spät in der Nacht. Junior und
    Talloi erzählten unseren Freunden, was wir gesehen hatten, während ich stumm blieb und immer noch nicht sicher war,
    ob ich das, was ich gesehen hatte, für die Wirklichkeit halten 18
    sollte. Als es mir in jener Nacht endlich gelang einzudämmern, träumte ich, ich sei in der Seite getroffen worden und die Leute liefen an mir vorbei, ohne mir zu helfen, denn sie alle rannten um ihr Leben. Ich versuchte, mich im Gebüsch in Sicherheit zu bringen, aber wie aus dem Nichts stand
    plötzlich jemand mit einem Gewehr vor mir. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, denn die Sonne erzeugte Gegenlicht.
    Die Person richtete das Gewehr auf die Stelle, an der ich getroffen worden war und drückte ab. Ich wachte auf und fasste mir zögernd an die Seite. Es machte mir Angst, dass ich nicht mehr zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden konnte. In Mattru Jong gingen wir jeden Morgen zum Kai und
    warteten auf Nachrichten von zu Hause. Doch nach einer
    Woche riss der Flüchtlingsstrom aus jener Richtung ab und der Nachrichtenfluss verebbte. Regierungstruppen wurden in Mattru Jong stationiert und errichteten am Kai und an anderen strategischen Stellen überall in der Stadt Kontrollpunkte.
    Die Soldaten waren fest davon überzeugt, die Rebellen würden von der anderen Seite des Flusses her angreifen, weshalb sie dort schwere Artillerie aufbauten und ab 19 Uhr eine
    Ausgangssperre verhängten, was die nächtliche Anspannung
    noch steigen ließ, da wir nicht schlafen konnten und zu früh ins Haus gehen mussten. Tagsüber kamen Gibrilla und Kaloko herüber. Zu sechst saßen wir auf der Veranda und redeten über die Geschehnisse.
    »Ich glaube nicht, dass der Wahnsinn noch lange dauert«,
    sagte Junior ruhig. Er sah mich an, als wollte er mir versi-chern, dass wir schon bald nach Hause gehen würden.
    »Wahrscheinlich dauert es nur einen Monat oder zwei.«
    Talloi starrte zu Boden.
    »Ich hab gehört, die Soldaten sind schon unterwegs und
    holen die Rebellen aus den Grubengebieten«, stammelte Gibrilla. Wir einigten uns darauf, dass der Krieg nur eine Über-gangsphase sei, die nicht länger als drei Monate dauern kön-ne. Junior, Talloi und ich hörten Rapmusik, versuchten, die Texte auswendig zu lernen, um nicht ständig an die gegen-19
    wärtige Situation denken zu müssen. Naughty by Nature, LL
    Cool J, Run DMC und Heavy D. & the Boyz. Wir waren
    nur mit diesen Kassetten und den Klamotten, die wir anhatten, von zu Hause weggegangen. Ich erinnerte mich, wie ich auf der Veranda saß und »Now That We Found Love« von
    Heavy D. & the Boyz hörte und die Bäume am Stadtrand
    beobachtete, die sich widerstrebend im langsamen Wind be-
    wegten. Die Palmen dahinter standen still, als warteten sie auf etwas. Ich schloss die Augen und die Bilder aus Kabati blitzten wieder auf. Ich wollte sie vertreiben, indem ich versuchte, ältere Erinnerungen an Kabati aus der Zeit vor dem Krieg wachzurufen.
    Da gab es einen dichten Wald auf der einen Seite des Dor-
    fes, in dem meine Großmutter wohnte, und Kaffeeplantagen
    auf der anderen. Der Fluss führte vom Wald bis an den Rand des Dorfes, an Palmen vorbei in einen Sumpf. Hinter dem
    Sumpf erstreckten sich Bananenplantagen bis zum Horizont.
    Die Schotterstraße, die durch Kabati führte, war voller
    Schlaglöcher und Pfützen, in denen tagsüber gerne die Enten badeten, und in den Höfen hinter den Häusern nisteten Vö-
    gel in den Mangobäumen.
    Morgens stieg die Sonne hinter dem
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