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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben
Autoren: Ishmael Beah
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uns gekochte Erdnüsse, und während wir sie
    aßen, berieten wir, was wir am nächsten Tag machen woll-
    ten, planten, die Räume anzusehen, in denen der Talent-
    wettbewerb stattfand, und beschlossen, noch etwas zu üben.
    Wir übernachteten bei Khalilou zu Hause im Verandazim-
    mer. Das Zimmer war klein, und es stand nur ein winziges
    Bett darin, sodass wir zu viert (Gibrilla und Kaloko waren nach Hause gegangen) im selben Bett schliefen und mit he-raushängenden Füßen übereinanderlagen. Mir gelang es, die Füße ein bisschen besser einzuziehen, weil ich kleiner und zierlicher war als die anderen Jungs.
    Am nächsten Tag blieben Junior, Talloi und ich bei Khali-
    lou und warteten, dass unsere Freunde ungefähr um zwei Uhr nachmittags aus der Schule kämen. Aber sie kamen früher
    zurück. Ich putzte meine Turnschuhe und zählte laut für Junior und Talloi, die Liegestützen um die Wette machten.
    Gibrilla und Kaloko kamen auf die Veranda und machten
    mit. Talloi atmete schwer und sprach langsam. Er fragte, weshalb sie schon zurück seien. Gibrilla erzählte, die Lehrer hätten gesagt, Mogbwemo, unser Heimatort, sei von Rebellen
    angegriffen worden. Bis auf weiteres würde die Schule ausfal-len. Wir hörten sofort mit den Liegestützen auf.
    Laut der Lehrer hatten die Rebellen am Nachmittag die
    Grubengebiete angegriffen. Die plötzlichen Schießereien hatten dazu geführt, dass die Menschen in alle Richtungen um ihr Leben rannten. Väter waren von der Arbeit nach Hause
    geeilt und standen vor ihren leeren Häusern, aus denen ihre Familien spurlos verschwunden waren. Mütter rannten auf
    der Suche nach ihren Kindern weinend in die Schulen, an die Flüsse und Wasserstellen. Kinder wiederum suchten ihre El-12
    tern, die auf der Suche nach ihnen durch die Straßen liefen, bei sich zu Hause. Als das Geschützfeuer zunahm, gaben die Menschen die Suche nach ihren Angehörigen auf und flohen
    aus der Stadt.
    »Dieser Ort hier ist als nächstes dran, sagen die Lehrer.«
    Gibrilla stemmte sich vom Zementboden hoch. Junior, Talloi und ich nahmen unsere Rucksäcke und gingen mit unseren
    Freunden zum Kai. Dort trafen Leute aus dem Grubengebiet
    ein. Manche kannten wir, aber sie konnten uns nichts über den Verbleib unserer Familien sagen. Sie berichteten, dass der Angriff zu plötzlich gekommen und zu chaotisch gewesen sei
    – alle seien in völliger Verwirrung in die verschiedensten Richtungen geflohen.
    Über drei Stunden lang blieben wir am Kai, warteten vol-
    ler Sorge und hofften, entweder unsere Familien zu sehen
    oder mit jemandem zu sprechen, der sie gesehen hatte. Aber es gab keine Nachricht von ihnen. Nach einer Weile kannten wir niemanden mehr von denen, die über den Fluss kamen.
    Der Tag wirkte seltsam normal. Die Sonne segelte friedlich durch weiße Wolken, Vögel sangen in den Baumspitzen, die
    Bäume tanzten im gleichmäßigen Wind. Ich konnte noch
    immer nicht glauben, dass der Krieg tatsächlich unser Zuhause erreicht hatte. Das ist unmöglich, dachte ich. Als wir am Tag zuvor von zu Hause weggegangen waren, hatte es keinerlei Anzeichen dafür gegeben, dass sich Rebellen auch nur in der Nähe befanden.
    »Was werdet ihr machen?«, fragte uns Gibrilla. Wir waren
    eine Weile still, dann brach Talloi endlich das Schweigen:
    »Wir müssen zurück und unsere Familien suchen, bevor es zu spät ist.«
    Junior und ich nickten zustimmend.
    Nur drei Tage zuvor hatte ich gesehen, wie mein Vater
    langsam von der Arbeit nach Hause ging. Seinen Schutzhelm trug er unter dem Arm und sein schmales Gesicht war wegen der heißen Nachmittagssonne verschwitzt. Ich saß auf der
    Veranda. Ich hatte ihn eine Weile nicht gesehen, denn wegen meiner Stiefmutter war die Beziehung zwischen uns immer
    wieder abgebrochen. Aber an jenem Morgen lächelte mich

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    mein Vater an, als er die Stufen hochstieg. Er musterte mein Gesicht, und seine Lippen schienen etwas sagen zu wollen, als meine Stiefmutter dazukam. Er sah weg, sah meine Stiefmutter an, die tat, als würde sie mich nicht sehen. Sie gingen schweigend ins Wohnzimmer. Ich unterdrückte die Tränen
    und verließ die Veranda, um mich an der Kreuzung mit Ju-
    nior zu treffen und auf den Laster zu warten. Wir wollten zu unserer Mutter in den Nachbarort fahren, ungefähr 5 Kilometer entfernt. Als unser Vater noch die Schule für uns bezahlt hatte, hatten wir unsere Mutter an den Wochenenden
    und in den Ferien gesehen, wenn wir nach Hause fuhren.
    Jetzt, da er sich zu zahlen
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