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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben
Autoren: Ishmael Beah
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abwech-
    selnd den rechten und dann den linken Fuß vor und wieder
    zurück, machten gleichzeitig mit den Armen dasselbe und
    wackelten mit dem Oberkörper und dem Kopf. »Der Schritt
    heißt Running Man«, erklärte Junior. Danach übten wir die Songs, die wir auswendig gelernt hatten, playback zu singen.
    Bevor wir uns trennten, um die verschiedenen Aufgaben, die abends anstanden, wie Wasserholen und Lampenputzen, zu
    erledigen, sagten wir Sprüche wie »Peace, son« oder »I’m
    out«, die wir aus den Raptexten kannten. Draußen hob das
    Abendkonzert der Vögel und Grillen an.
    An dem Morgen, an dem wir uns auf den Weg nach
    Mattru Jong machten, packten wir unsere Notizbücher mit
    den Texten, an denen wir arbeiteten, in unsere Rucksäcke
    und stopften uns die Taschen mit Kassetten von Rapalben
    voll. Damals trugen wir zum Tanzen weite Jeans, darunter
    Fußballshorts und Trainingshosen. Unter unseren langärmeligen Pullis hatten wir ärmellose Unterhemden an, T-Shirts
    und Fußballtrikots. Wir trugen drei Paar Socken übereinander, die wir herunterzogen und aufrollten, damit unsere
    Turnschuhe größer wirkten. Wenn es tagsüber zu heiß wur-
    de, zogen wir ein paar Klamotten aus und warfen sie uns über die Schultern. Die Klamotten waren schwer angesagt, und
    wir hatten keine Ahnung, dass uns dieser ungewöhnliche
    Kleidungsstil noch nutzen sollte. Da wir am nächsten Tag
    zurück sein wollten, verabschiedeten wir uns nicht und sagten auch niemandem, dass wir weggingen. Wir wussten nicht,
    dass wir unser Zuhause für immer verließen und nie wieder zurückkehren sollten.
    Um Geld zu sparen, beschlossen wir, die rund 25 Kilome-
    ter nach Mattru Jong zu laufen. Es war ein schöner Sommertag, die Sonne schien nicht zu heiß und der Fußmarsch kam 10
    uns auch nicht besonders lang vor, da wir uns über alles Mögliche unterhielten, uns gegenseitig auf die Schippe nahmen und einander nachliefen. Wir hatten Steinschleudern dabei und schossen auf Vögel und jagten Affen, die die Schotterstraße überqueren wollten. An mehreren Flüssen machten wir halt, um zu schwimmen. An einem Fluss, über den eine Brü-
    cke führte, hörten wir aus der Ferne ein Passagierfahrzeug und beschlossen, aus dem Wasser zu steigen und zu fragen, ob wir vielleicht umsonst mitfahren könnten. Ich kletterte vor Junior und Talloi aus dem Wasser und rannte mit ihren Klamotten über die Brücke. Sie dachten, sie könnten mich ein-holen, bevor das Fahrzeug die Brücke erreicht hätte, aber als sie merkten, dass das unmöglich war, rannten sie zurück zum Fluss und wurden, als sie gerade mitten auf der Brücke waren, von dem Fahrzeug eingeholt. Die Mädchen hinten auf dem
    Laster lachten und der Fahrer hupte. Das war lustig – und die restliche Strecke über versuchten sie, es mir heimzuzahlen, was ihnen aber nicht gelang.
    Ungefähr um zwei Uhr nachmittags erreichten wir Kabati,
    das Dorf meiner Großmutter. Meine Großmutter war unter
    dem Namen Mamie Kpana bekannt. Sie war groß und ihr
    äußerst schmales Gesicht ergänzte ihre schönen Wangenkno-
    chen und großen braunen Augen wunderbar. Sie stand im-
    mer da mit den Händen entweder in den Hüften oder auf
    dem Kopf. Wenn ich sie sah, wusste ich, woher meine Mut-
    ter ihre wunderschöne dunkle Haut, die extrem weißen Zäh-
    ne und die durchsichtigen Knitterfalten am Hals hatte. Mein Großvater oder Kamor – Lehrer, wie er von allen genannt wurde – war sowohl ein über die Grenzen des Dorfes hinaus angesehener Gelehrter des Arabischen als auch ein Heiler.
    In Kabati aßen wir, ruhten uns ein bisschen aus und nah-
    men dann die letzten 10 Kilometer in Angriff. Großmutter
    wollte, dass wir über Nacht blieben, aber wir sagten, wir würden am nächsten Tag wiederkommen.
    »Wie behandelt dich denn dein Vater inzwischen?«, fragte
    sie mit freundlicher, aber besorgter Stimme. »Wieso geht ihr nach Mattru Jong, wenn’s nichts mit der Schule zu tun hat?
    Und wieso bist du so dürr?«, fuhr sie fort, aber wir wichen 11
    ihren Fragen aus. Sie folgte uns bis an den Rand des Dorfes und sah uns nach, als wir den Hügel heruntergingen. Sie hielt den Gehstock in der linken Hand, damit sie uns mit der rechten winken konnte, weil das angeblich Glück bringt.
    Wenige Stunden später erreichten wir Mattru Jong und
    trafen uns mit unseren alten Freunden Gibrilla, Kaloko und Khalilou. An jenem Abend gingen wir in die Bo Road, wo
    Straßenhändler noch bis spät in die Nacht Essen verkauften.
    Wir holten
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